„Mitgenommen sein“ – wovon?
Diese Frage öffnet eine ganz zentrale Tiefenschicht in meiner gesamten Arbeit: „Mitgenommen sein“ – wovon?
Von einem Gedanken? Einer Geste? Einer Bewegung? Oder vielleicht… vom Atem selbst?
🌬 Mitgenommen sein – vom Atem als Wesenform
Mitgenommen sein – das ist mehr als ein Eindruck.
Es ist der Moment, in dem etwas uns berührt, bevor wir es begreifen können.
Nicht wir erfassen es – es nimmt uns mit.
In der ältesten Bedeutung heißt „mitgenommen“ nicht beschädigt, sondern bewegt.
Ein Mensch ist mitgenommen, wenn sein Inneres durch etwas in Schwingung geraten ist.
Etwas hat ihn bewegt – aus der gewohnten Ordnung heraus – in eine andere Form des Spürens, Denkens, Seins.
Aber was nimmt uns mit?
Vielleicht ist es der Atem – dieses älteste, unsichtbarste, immer schon geschehende Tun.
Wir tun es nicht. Es geschieht. Und doch sind wir es.
Der Atem trägt uns – nicht wir ihn.
Und wenn wir wirklich mitgenommen sind,
ist es oft der Moment, in dem der Atem nicht mehr selbstverständlich ist.
Ein Schock, ein Staunen, eine plötzliche Erkenntnis – und der Atem stockt.
Ein Anblick, ein Wort, eine Berührung – und der Atem fließt anders.
In solchen Momenten werden wir Atemwesen.
Nicht nur biologisch, sondern existenziell.
Wir erkennen: „Ich bin, weil ich atme.“
Aber auch: „Ich werde – wenn mich der Atem führt.“
Der Atem wird zur Geste, zur Bewegung, zum Ausdruck –
und damit zur Wesenform.
Denn was ist ein Wesen anderes als das,
was in Beziehung tritt –
mit der Welt, mit einem Du, mit dem Unsichtbaren?
Ein Wesen ist, was antwortet.
Der Atem antwortet.
Er fließt – und wird gespürt.
Er formt uns – ohne Zwang, ohne Besitz, ohne Objekt.
🌀 Mitgenommen sein heißt:
Nicht mehr ganz dort sein, wo man war.
Nicht mehr ganz so sein, wie man war.
Sondern geöffnet – durch etwas, das wirkt,
das berührt, das in Schwingung setzt.
Und vielleicht ist das der Anfang jeder Erkenntnis, jeder Ethik, jeder Kunst:
Dass wir bereit sind, mitgenommen zu werden.
Von einem Hauch.
Von einer Geste.
Von einer Verantwortung.
Von einer neuen Form des Spürens.