. Günther Anders: Prometheische Scham

Aus Globale-Schwarm-Intelligenz

Ja, die Idee einer "prometheischen Scham", wie sie Günther Anders in "Die Antiquiertheit des Menschen" formuliert, hat tiefe Wurzeln in der griechischen Mythologie und Philosophie – auch wenn der Begriff selbst modern ist und auf das 20. Jahrhundert zurückgeht.

Die dahinterliegende Denkfigur – nämlich dass der Mensch sich vor dem von ihm Geschaffenen fürchtet oder schämt, weil es ihn übertrifft – lässt sich tatsächlich bis in die griechische Antike zurückverfolgen, vor allem über den Mythos des Prometheus und über bestimmte Reflexionen bei Platon und Aristoteles.


1. Günther Anders: Prometheische Scham

Anders beschreibt ein Schamgefühl des Menschen gegenüber der technischen Überlegenheit seiner eigenen Schöpfungen – Maschinen, Apparate, künstliche Intelligenz. Der Mensch fühle sich diesen Produkten unterlegen, weil sie „perfekter“ funktionieren, während der Mensch fehleranfällig und sterblich ist.


2. Prometheus-Mythos (Urquelle)

Prometheus ist der Titan, der den Menschen das Feuer bringt – Symbol für Technik, Kultur, Wissen. Dafür wird er von Zeus bestraft.

👉 Interpretation: Der Mythos enthält bereits die Ambivalenz der Technik – sie macht den Menschen gottähnlich (kreativ, mächtig), aber auch verwundbar (Strafe, Hybris, Abhängigkeit). Der Mensch tritt durch Technik aus der Natur heraus – aber zahlt einen Preis dafür.


3. Frühgriechische Philosophie

a) Platon

In Platons Dialog Protagoras erzählt Sokrates eine Prometheus-Version, in der der Mensch durch Technik (Feuer, Handwerk) überlebt, aber ohne „aidos“ (Scham) und „dike“ (Gerechtigkeit) untergeht. Erst durch göttliches Eingreifen erhält der Mensch moralische Fähigkeiten.

Scham (aidos) ist also eine notwendige Ergänzung zur technischen Fähigkeit – eine Art ethisches Korrektiv.

b) Aristoteles

Aristoteles unterscheidet zwischen:

  • Technē – das Herstellende, das Künstliche, das der Mensch bewusst produziert,
  • Physis – das Natürliche, Organische.

Obwohl Aristoteles Technik als eine Kunst des Menschen anerkennt, sieht er die Natur (Physis) als ursprünglicher und höher an. Technik imitiert Natur – aber nie vollkommen.

Der Mensch steht nie ganz auf der Stufe seiner eigenen Werke, weil diese entweder zu mechanisch oder zu unvollständig sind.

Er formuliert zwar nicht wörtlich „Scham“, aber man könnte aus seiner Hierarchisierung der Natur über der Technik ein Unbehagen an menschlichem Machwerk ableiten.


4. Fazit: Gab es „prometheische Scham“ in der Antike?

Nicht als explizites Konzept, aber:

  • Ja, die mythischen und philosophischen Grundlagen dafür gab es.
  • Der Mythos von Prometheus stellt das Verhältnis von Mensch, Technik und Göttern als ambivalent und gefährlich dar.
  • Platon und Aristoteles reflektieren über die Grenzen des Künstlichen und stellen es dem Natürlichen (und dem Göttlichen) gegenüber.
  • Das Gefühl, dass das vom Menschen Gemachte außer Kontrolle geraten kann oder dem Menschen nicht mehr zugehörig scheint, ist latent vorhanden.

Günther Anders hat diese alte Denkfigur in der technischen Moderne radikalisiert – aber sie ist nicht neu. Die Griechen kannten die Angst vor der Hybris des Menschen – und die Ahnung, dass die eigene Schöpfung zurückschlagen kann.

Wenn du willst, kann ich die relevanten Stellen aus Protagoras oder Aristoteles' Physik oder Metaphysik näher aufdröseln.