1.5.2025d

Aus Globale-Schwarm-Intelligenz

Theorie plastischer Berührungskunst im Verhältnis zu klassischen Modellen


Berührung als Weltbeziehung: Plastische Handlung jenseits der Repräsentation

Die plastische Berührungskunst, wie sie in meinem Werk entsteht, ist keine Illustration einer Idee, kein Symbolträger, kein stilistisches Objekt. Sie ist eine Form der Handlung, die aus der physischen Berührung, aus dem tastenden Weltkontakt heraus eine Beziehung zur Wirklichkeit aufbaut. Diese Kunst ist keine Repräsentation von Welt, sondern eine Formwerdung im direkten Umgang mit ihr. Weder entsteht sie aus Konzept, noch aus Material allein, sondern im Wechselspiel von Widerstand, Reaktion, Körperlichkeit, Handlung und Verantwortung. Der Werkprozess ist nicht abgeschlossen, sondern offen, reagierend, verletzbar.

Im Zentrum dieser Arbeit steht die „Berührung“ – als taktile, körperlich wirksame, ethisch gebundene Form des Weltbezugs. Diese Berührung kann verletzen oder wandeln, zerstören oder verknüpfen, sichtbar machen oder verstellen. Sie steht in Opposition zu einer Kunstauffassung, die auf Distanz, Ästhetisierung oder reiner Darstellung beruht. Sie fragt nicht nach der Form, sondern nach der Konsequenz der Geste.

Unterscheidung zur klassischen Philosophie: Gegenmodell zur platonischen Ideenordnung

Die klassische Metaphysik, insbesondere das platonische Modell der Ideenwelt, geht von einer Trennung zwischen Erscheinung und Wahrheit aus. Die sinnlich erfahrbare Welt gilt als defizitär, die wahre Welt als entkörpert, fixiert, ewig. Kunst erscheint in diesem Modell häufig als Simulation – als Nachbildung einer Idee in der Welt der Schatten.

Meine plastische Arbeit stellt dem ein radikal anderes Weltverhältnis gegenüber: Wahrheit ist nicht fixiert, sondern situativ. Sie entsteht nicht durch Abstraktion, sondern durch Verwicklung. Nicht durch das Entfernen von Materie (wie in der Skulptur), sondern durch tastende Annäherung, durch Berührung, durch Verlagerung, durch Formung in Relation.

Die Denkobjekte, die ich entwickle – vergoldete Eisschichten, Flussmodelle aus Sand, vergoldete Reinigungswerkzeuge, modellierte Tangformationen, Schüsselanordnungen – greifen nicht auf Ideale zurück, sondern auf Prozesse, Eigenschaften, Rückkoppelungen. Sie sind keine „Pfeife, die keine Pfeife ist“ – sie sind Ereignisse, die Wirklichkeit behaupten und verhandeln. Nicht durch Bildhaftigkeit, sondern durch Widerstand und Handlung.

Wissenschaftliche Grundlagen: Eine interdisziplinäre Weltverantwortung

Die physikalischen Grundlagen meiner Arbeit liegen in der Dynamik von Strömung, Gravitation, Materialträgheit und Rückkopplung. Die Ökologie liefert die Systemik: Alles, was ich tue, hat Wirkung. Die Phänomenologie – vor allem in der Tradition Merleau-Pontys – bietet mir ein Denken des Körpers als Wahrnehmungsorgan inmitten der Welt. Die Theologie – insbesondere in der Figur des Thomas, der berühren will, um zu glauben – ist mir Denkbild für den Zweifel, für die Relevanz von Wunde, Kontakt, Wahrheit.

In meiner Formel 51:49 versuche ich dieses Denken als Verhältnisform zu fassen: Kein absolutes Gleichgewicht, sondern minimale Asymmetrie, die Bewegung, Differenz, Reaktion erzeugt. Diese Formel ist keine Theorie, sondern eine Erfahrungsform, eine plastische Spannung.

Kunst als Handlung, nicht als Darstellung: Gegen das "Als ob"

Im Gegensatz zur darstellenden Kunst, etwa im Theater, wo mit dem "Als ob" gespielt wird – ein Schauspieler stirbt, ohne zu sterben – ist meine Arbeit eine Kunst der Unmittelbarkeit. Was berührt wird, wird wirklich berührt. Was verletzt wird, bleibt gezeichnet.

Es gibt keine Immunisierung gegen die Konsequenz der Handlung. Der vergoldete Spaten macht aus dem Boden keinen Besitz, sondern einen Beweis für das Missverständnis von Aneignung. Der vergoldete Schrubber zeigt nicht Reinigung, sondern entblößt die Verwandlung von Handlung in Ideologie.

Meine Kunst braucht ein Gegenüber. Sie ist relational. Sie lebt vom Widerstand der Welt, von der Antwort der Materie, vom Kontakt mit dem Anderen. Nicht das Werk steht im Zentrum, sondern das Verhältnis. Nicht die Idee, sondern die Bewegung zwischen Idee, Körper, Welt und Zeit.

Fazit: Die plastische Berührung als Weltbegriff

Meine Kunst ist kein Wirbel, der wirbelt, keine Pfeife, die verweist. Sie ist eine Spur, die bleibt, ein Kontakt, der wirkt, ein Denken, das Form annimmt. Ihre Wahrheit liegt nicht in der Repräsentation, sondern in der Konsequenz. Ihre Ethik nicht in der Behauptung, sondern in der Berührung. Ihre Theorie ist kein System, sondern ein offenes, erfahrbares, verantwortliches Weltverhältnis – in Geste, Material und Handlung.