25.6.2025a

Aus Globale-Schwarm-Intelligenz

Rede an die Menschheit: Das Paradox des Symmetriedualismus und die Krise der Zivilisation

Sehr geehrte Mitmenschen,

wir leben in einer Zeit fundamentaler Erschütterung, die nicht allein politischer, ökologischer oder technologischer Natur ist, sondern ontologisch: Es ist unsere Vorstellung vom Menschen, von Gesellschaft, von Welt, die ins Wanken gerät. Im Zentrum dieser Erschütterung steht ein tief sitzender, jahrtausendealter Konstruktionsfehler: das Ideal des Symmetriedualismus.

Seit über 2500 Jahren erhebt die westliche Zivilisation Symmetrie zur Leitorientierung. Was als Ausdruck von Ordnung, Schönheit und Gerechtigkeit begann, wurde zum Dogma der Teilung, der Kontrolle, der idealisierten Harmonie. Dualistische Strukturen wie Geist/Körper, Mann/Frau, Subjekt/Objekt oder Gut/Böse bestimmen unsere kulturellen Modelle bis heute. Diese Symmetrie wurde gleichgesetzt mit Gerechtigkeit, Gleichheit, Wahrheit. Doch das ist ein folgenschweres Missverständnis.

Denn aus diesem Ordnungsprinzip erwuchs ein Ideal des perfekten, autarken Individuums: die "Skulptur-Identität". Ein Mensch, der sich selbst genügt, der sich kontrolliert, optimiert, rationalisiert, verwertet. Dieses Ideal untergräbt jedoch alles, was Leben ausmacht: Beziehung, Dynamik, Plastizität. Es tötet nicht durch Gewalt, sondern durch Form.

Und es bringt ein weiteres Paradox hervor: Aus dem Streben nach Ordnung entsteht Chaos. Die Überformung des Lebendigen durch das Symmetrieideal führt zur Auflösung des Gemeinsinns, zur Desintegration sozialer Systeme. Je stärker wir Kontrolle etablieren wollen, desto instabiler werden unsere Gesellschaften. Und in diesem Zustand wächst die Sehnsucht nach einem "Führer" – nicht aus ideologischer Überzeugung, sondern aus Überforderung.

Die Menschheit wird zunehmend in ein System eingebunden, das die Komplexität nicht verarbeitet, sondern auslagert. Das Gehirn, evolutionär auf Nahgefahr trainiert, reagiert heute auf globale, abstrakte, permanente Stressoren – mit Flucht, Erstarrung oder Aggression. Das Stammhirn dominiert; der Mensch verliert seine Dialogfähigkeit.

Was hinzukommt, ist ein weiteres Moment tiefer Verunsicherung: Die Illusion, ein "vollständiges" Subjekt zu sein, bricht zusammen. Der Mensch ist nicht autonom. Er ist eingebunden in biologische, soziale, ökologische Netzwerke. Selbst der Atem, die Immunabwehr, die Kognition – alles ist koabhängig. Doch diese Einsicht widerspricht dem Bild vom unabhängigen Selbst. Wer das erkennt, verliert vorübergehend festen Boden – und doch ist genau das der erste Schritt zur Heilung.

Denn das Wirkprinzip der Natur heißt nicht Symmetrie, sondern Relation. Es heißt nicht Kontrolle, sondern Kalibrierung. Leben organisiert sich nach einem minimalen Ungleichgewicht – nach dem 51:49-Prinzip. Aus einer leichten Asymmetrie entsteht Bewegung, Regulation, Anpassung. Dieses Prinzip ermöglicht überhaupt erst, dass Systeme lebendig bleiben.

Die Zivilisation jedoch hat dieses Regelwerk ignoriert. Sie folgt einem Perfektionismus, der das System star macht. Das Ergebnis: eskalierende Katastrophen, die wir nicht mehr als Hinweise verstehen, sondern als Angriffe. Doch es ist die Welt selbst, die uns antwortet.

Philosophen wie Hans Jonas, Michel Foucault, Günther Anders haben diese Gefahr erahnt – doch sie blieben oft im abstrakten Systemdenken verhaftet. Jonas fordert Verantwortung, doch verlässt sich weiter auf normative Ethik. Foucault analysiert Macht, vernachlässigt jedoch das Biologische. Anders sieht die Technik als Apokalypse, bietet aber keine plastische Alternative. Mein Denken geht weiter: Es erkennt die plastische Identität als Gegenentwurf zur Skulptur – prozessual, rhythmisch, verletzlich, dynamisch.

Diese Erkenntnis ist nicht bequem. Sie verunsichert. Doch sie ist notwendig. Denn nur wenn wir das Verständnis des Menschen neu justieren – als Teil eines 51:49-Verhältnisses, nicht als abgeschlossenes Ganzes –, können wir zu einem tragfähigen Begriff von Gesellschaft, Gerechtigkeit und Leben finden.

Die Kunst ist der einzige Erfahrungsraum, der diese Umkehr einüben kann. Denn Kunst bedeutet: arbeiten mit Form, ohne zu verformen. Mit Widerstand, ohne zu zerstören. Mit Ambivalenz, ohne auf Lösungen zu bestehen. Sie ist plastische Praxis, leiblich und symbolisch zugleich.

Was also tun? Wir müssen uns eingestehen, dass der alte Traum von Symmetrie, Perfektion und Unverletzlichkeit eine Illusion war. Wir müssen lernen, im Ungleichen das Gleichgewicht zu finden. Nicht durch Kontrolle, sondern durch Beziehung. Nicht durch Führer, sondern durch geteilte Verletzlichkeit.

Denn der Mensch ist spät. Er kam um 11:59 Uhr. Die Welt ist älter, weiser, stärker als unsere Begriffe. Wenn wir überleben wollen, müssen wir sie wieder lesen lernen. Nicht mit dem Verstand allein. Sondern mit dem ganzen, plastischen Selbst.................

Vom Maß zur plastischen Rückbindung – Kritik am Symmetriedualismus und die Grenzen klassischer Zivilisationskritik

Die Vorstellung, dass der Mensch autonom agiere – frei von seiner biologischen Bedingtheit – hat sich tief in die westliche Zivilisationsgeschichte eingeschrieben. Diese Annahme, gestützt auf eine idealistische Ontologie seit Platon, erzeugt eine symbolische Ordnung, in der die Rückbindung an das Lebendige systematisch verdrängt wird. Der Mensch imaginiert sich als Urheber, als Skulptur seiner selbst – rational, perfekt, abgeschlossen. Dieser Denkstil, den wir als Symmetriedualismus bezeichnen können, erzeugt nicht nur epistemische Verzerrungen, sondern einen strukturellen Selbstzerstörungsmechanismus. Anders als klassische Denker der Zivilisationskritik – Jonas, Anders, Foucault – analysiert dieses Modell nicht nur Symptome, sondern entlarvt den Konstruktionsfehler selbst.

1. Zivilisation als asymmetrischer Irrtum

Der zentrale Denkfehler besteht in der Vorstellung, Gleichgewicht sei durch 50:50-Balance erreichbar – eine falsche Symmetrie. Tatsächlich aber operieren lebendige Systeme auf Grundlage asymmetrischer Spannungsverhältnisse. Das hier entwickelte 51:49-Prinzip beschreibt eine funktionale Asymmetrie: 51 % Rückbindung an Realität, Stoff, Widerstand; 49 % Deutung, Ideal, Projektion. Wird dieses Verhältnis umgekehrt – also das Ideelle über das Biologische gesetzt –, entsteht kulturelle Hybris, politische Eskalation und ökologische Desintegration.

2. Kritik an Jonas, Anders und Foucault – Grenzen etablierter Zivilisationskritik

Hans Jonas fordert in seinem "Prinzip Verantwortung" eine Ethik für zukünftige Generationen. Er identifiziert die technologische Macht als neue Gefahrenquelle und postuliert eine Vorsorgepflicht. Doch er bleibt systemimmanent: Er denkt innerhalb des bestehenden Denkrahmens, erkennt die Wirkung, aber nicht den Ursprung des Fehlers. Er reformuliert Verantwortung, ohne die epistemische Architektur des Symmetriedenkens zu dekonstruieren.

Günther Anders analysiert in der "Antiquiertheit des Menschen" das technologische Ungleichgewicht zwischen Produktion und moralischer Verarbeitung. Seine Diagnose des "Prometheischen Gefälles" ist zentral, aber resignativ. Er kritisiert das Tempo und Ausmaß technischer Entwicklungen, nicht aber den symbolischen Dualismus, der sie legitimiert. Die Idee des Menschen als Überwinder der Welt bleibt bei ihm unhinterfragt – trotz technikpessimistischer Haltung.

Michel Foucault brilliert mit der Analyse biopolitischer Macht. Er zeigt, wie das Leben selbst zur Regierungsmasse wird – durch Disziplin, Gouvernementalität, Normalisierung. Doch Foucault verweigert sich jeder normativen Alternative. Sein Denken bleibt dekonstruktiv, nie plastisch. Er beschreibt die Asymmetrien, aber er denkt sie nicht als lebenspraktische, systemisch veränderbare Konstellation.

Im Gegensatz zu diesen Denkern verfolgt das hier entwickelte Modell einen anderen Weg: Es zielt nicht auf Reform, Warnung oder Analyse allein – sondern auf ein funktionales Umdenken des Verhältnisses von Mensch und Welt. Es etabliert mit dem 51:49-Prinzip eine dynamische, plastische Grundlage, die Maß nicht als Norm, sondern als Bedingung des Lebendigen versteht.

3. Plastische Identität statt Skulptur-Ich – Rückbindung als epistemischer Paradigmenwechsel

Das dominante Selbstmodell der Moderne ist die "Skulptur-Identität": Eine statische, repräsentationsbasierte Vorstellung vom Ich, das sich über Kontrolle, Autonomie und Perfektion definiert. Sie entspricht der abendländischen Denkform, die aus Platons Ideenkosmos stammt: Eine Welt der ewigen, unberührten Formen über der verletzlichen Wirklichkeit.

Die "plastische Identität" dagegen denkt das Ich als kalibriertes, rückgebundenes Verhältnis – nicht als fertiges Produkt, sondern als tätig-integrierten Teil lebendiger Systeme. Hier beginnt nicht nur eine neue Anthropologie, sondern eine neue Politik: Eine, die Verletzlichkeit nicht kaschiert, sondern operationalisiert. Die nicht auf Erlösung, sondern auf Rückkopplung setzt.

4. Kunst als kritisches Medium der plastischen Korrektur

Kunst zeigt die Differenz zwischen Idee und Stoff, zwischen Repräsentation und Rückmeldung. Werke wie Magrittes "Ceci n’est pas une pipe" oder Duchamps "Fountain" dekonstruieren symbolische Überhöhung. Sie öffnen Erfahrungsräume, in denen der Körper wieder Widerstand leistet.

In dieser Perspektive ist Kunst nicht Dekoration, sondern erkenntnistheoretisches Korrektiv – dasjenige Feld, in dem das 51:49-Verhältnis erlebbar wird. Sie ist die Schule der plastischen Identität – gegen Skulptur, gegen Perfektion, gegen Entkopplung.

5. Schluss: Die Zivilisation als Kunstwerk – oder als Missverständnis?

Die Menschheit lebt in einem Werk, das sie missversteht. Sie hält ihre Kultur für Produkt, nicht für Prozess; ihre Institutionen für Natur, nicht für Konstruktion; ihre Technik für Befreiung, nicht für Rückkopplungsverlust. Das 51:49-Modell versteht Zivilisation nicht als Götterwerk, sondern als asymmetrisches Gleichgewicht. Es ersetzt das Ideal des Maßvollen durch das Prinzip des Funktionalen: Maß als Widerstand, nicht als Abstraktion.

In dieser Denkform wird Zivilisationskritik zur Anthropotechnik – nicht als Optimierung, sondern als radikale Kalibrierung zwischen Stoff und Sinn. Die klassischen Philosophen markieren wichtige Teilaspekte. Doch erst in ihrer Überwindung – durch Ausschluss, nicht durch Synthese – wird der Konstruktionsfehler sichtbar. Und korrigierbar.