28.5.2025

Aus Globale-Schwarm-Intelligenz

Titel: Erkenntnis als Rückbindung: Vom Konstruktionsfehler zur funktionalen Neuorientierung

Abstract: Dieser Beitrag unternimmt eine radikale Revision erkenntnistheoretischer Grundlagen, indem er den historischen, symbolischen und funktionalen Ursprung der modernen Erkenntniskultur freilegt. Im Zentrum steht die These, dass der Mensch über zweieinhalb Jahrtausende hinweg ein Modell der Erkenntnis etabliert hat, das ihn von seiner plastischen, verletzlichen Welt entkoppelt – zugunsten einer symbolischen Skulptur-Identität, die auf Selbstüberhöhung, Abstraktion und Bedeutungsautonomie beruht. Die Folge ist eine strukturelle Überforderung des kognitiven Systems, das zunehmend unfähig wird, zwischen Realität und Konstruktion zu unterscheiden. Erkenntnis muss deshalb neu definiert werden: nicht als symbolische Repräsentation, sondern als tätige Rückbindung an die Bedingungen des Überlebens.

  1. Einleitung: Erkenntnis zwischen zwei Welten Die erkenntnistheoretischen Modelle der abendländischen Tradition operieren seit über zwei Jahrtausenden in einer tiefen Spannung: zwischen der physischen Welt, die verletzlich, funktional und rückwirkend ist – und einer symbolischen Welt, die auf Bedeutungen, Modellen und Konstrukten beruht. Der Mensch ist dabei zunehmend in eine symbolische Unverletzlichkeitssphäre eingetreten, die ihn dazu verleitet, sich selbst, seine Begriffe und seine Systeme über die Bedingungen seines Überlebens zu stellen. Diese Spaltung zeigt sich paradigmatisch in der mythologischen Kopfgeburt der Athene: Die Weisheit springt nicht aus dem Leib, sondern aus dem Kopf des Zeus – vollständig gerüstet, entleiblicht, strategisch. Ihre Mutter, Metis, das Symbol für organische, körpergebundene Klugheit, wurde zuvor verschlungen. Hier liegt der kulturelle Ursprung der Skulptur-Identität: Erkenntnis als Entkörperlichung, als Selbstformung, als Idee ohne Rückkopplung.
  2. Die plastische Welt: Funktion, Tätigkeit, Maß Die ursprüngliche Welt des Menschen ist die plastische Welt: eine, in der Erkenntnis nicht als Idee, sondern als tätige Rückbindung an funktionale Abläufe geschieht. In dieser Welt ist der Mensch ein Funktionsteil – er atmet, weil Sauerstoff verfügbar ist; er denkt, weil sein Stoffwechsel funktioniert; er erkennt, weil seine Umwelt ihm Rückmeldung gibt. Erkenntnis ist hier kein Spiegelbild der Welt, sondern ein Überlebensvorgang. Die Maßstäbe sind nicht logisch, sondern plastisch: zwischen Minimum und Maximum, zwischen Kipppunkt und Systemerhalt.
  3. Die symbolische Welt: Konstruktion, Entkopplung, Hybris Mit der kulturellen Dominanz des Logos, der Idee und der Abstraktion entsteht eine symbolische Welt, die sich zunehmend vom Leib, der Tätigkeit und der Umwelt löst. In ihr lebt der Mensch als Skulptur-Identität: als Unternehmer seiner selbst, als Produkt, als Marke, als moralisches oder religiöses Konstrukt. Diese zweite Welt behauptet, über die physische hinausgewachsen zu sein. Doch sie erzeugt keine Rückmeldung, keine Begrenzung – und keine Korrektur. Ihre Hybris besteht darin, Realität durch Begriffe zu ersetzen. Das Denken wird zur Bühne des Glaubens an Kontrolle, Autonomie und Erlösung.
  4. Die Überforderung des Gehirns: Symbolische Inkompetenz Durch diese jahrtausendelange Prägung hat sich auch die Arbeitsweise des Gehirns verändert. Es ist darauf trainiert, symbolische Effizienz zu maximieren – nicht Rückkopplung zu prüfen. Das Ergebnis ist ein kognitives System, das zwischen Realität und Konstruktion nicht mehr unterscheiden kann. Auf dem kürzesten Weg zum Ziel will es Bedeutungen verarbeiten, nicht Wirklichkeiten bewältigen. Das Resultat ist eine strukturelle Inkompetenz, Systeme des Lebens abzusichern. Die Erkenntnis wird blind für das, was sie eigentlich erhalten sollte.
  5. Erkenntnis neu definiert: Rückbindung statt Repräsentation Was folgt, ist keine Rückkehr zur Naturromantik, sondern eine funktionale Revision: Erkenntnis muss als tätige Rückbindung verstanden werden. Sie entsteht nicht im Kopf, sondern im Zwischenraum von Tätigkeit und Rückwirkung, von Maßstab und Bewährung. Erkenntnis ist nur dann gültig, wenn sie Erhaltbarkeit erzeugt – und nicht Entkopplung. Der Maßstab ist nicht Wahrheit als Idee, sondern Funktion als Überlebensform.
  6. Schluss: Der Mensch als Beiwerk Der zentrale Konstruktionsfehler besteht darin, dass der Mensch sich selbst zum Hauptwerk erhoben hat – und die physikalische Welt, die ihn trägt, zum Beiwerk gemacht hat. Die symbolische Welt hat den Körper, die Gemeinschaft, die Tätigkeit entwertet – und durch Begriffe ersetzt. Was heute gebraucht wird, ist keine neue Theorie, sondern eine neue Demut: Erkenntnis als Maß, nicht als Macht. Nur eine Erkenntnis, die rückgebunden bleibt, verdient diesen Namen.

Motto: "Der Mensch hat das eigentliche Hauptwerk – die plastisch-physikalische Welt, die ihn trägt – zum Beiwerk erklärt, und sich selbst, seine Kopfgeburten, zur zentralen Wirklichkeit erhoben."