6.7.2025a
Wolfgang Fenner (*1946) ist ein interdisziplinär arbeitender deutscher Künstler, Sozialästhet, Forscher und Begründer der Plattform "Globale Schwarmintelligenz". Er verbindet bildende Kunst, künstlerisch-wissenschaftliche Forschung, partizipative Performances und gesellschaftskritische Praxis. Sein Werk kreist um die Frage, wie Kunst zur Transformation von Bewusstsein und Gesellschaft beitragen kann. Im Zentrum steht der Mensch in seiner Beziehung zu Natur, Sprache, Gemeinschaft und Erkenntnis.
Fenner entwickelte seinen erweiterten Kunstbegriff aus dem Dialog mit Joseph Beuys, Franz Oppenheimer, Heraklit, Aristoteles, Friedrich Nietzsche sowie Naturbeobachtungen und systemtheoretischen Ansätzen. Ausgehend von der Frage, warum der Mensch seine eigenen Lebensgrundlagen zerstört, entwarf er eine Methode künstlerischer Forschung, die mit plastischer Erkenntnis, visuell-symbolischer Verdichtung und partizipativem Lernen arbeitet. Sein Werk ist ein Beispiel für soziale Plastik in radikaler Erweiterung: als gestaltbare Welt, als begehbare Erkenntnislandschaft.
Leben und Werk
Wolfgang Fenner begann seine künstlerische Laufbahn in den 1970er Jahren. Bereits früh entwickelte er Konzepte wie das "Autobahn-Malbuch", das "Telefon-Malbuch" und das "Fußgänger-Malbuch" als Ausdruck spontaner, vorsprachlicher Kreativität. Diese Aktionen verfolgten das Ziel, die ursprüngliche Ausdruckskraft des Menschen jenseits von gesellschaftlicher Normierung zu erforschen. Er bezeichnete dies als Rückgewinnung der Krickel-Krakel-Phase – einer intuitiven Formgebung, die er mit Felsbildern, Traumbildern und Naturformationen verband.
Ab 1990 intensivierte Fenner seine Aktionskunst in gesellschaftlichen Umbruchphasen. Seine Ausstellungen und Performances begleiteten die deutsche Wiedervereinigung und kritisierten den Verlust an Gemeinsinn. In Berlin, Dresden, München, Zarrentin und Ratzeburg inszenierte er "Demokratiewerkstätten", darunter "Farben der Revolution" und "Der weiße Strich". Er verknüpfte Naturbeobachtung mit Gesellschaftsdiagnose, etwa in seinem Eiszeit-Tal-Gartenprojekt zur "Schöpfungsgeschichte" oder mit dem Werkzyklus "Sozialer Organismus Katharsis".
1993 initiierte Fenner das "Globale Dorffest" mit der Aktion "1000 Tapeziertische" am Brandenburger Tor – eine künstlerische Manifestation kollektiver Kreativität und kommunikativer Offenheit. Daraus entstand die Plattform Globale Schwarmintelligenz, die partizipative Kunst, ästhetische Forschung und gesellschaftliches Engagement zusammenführt. Weitere Stationen waren Performances in der Hamburger Kunsthalle, Projekte mit Schulen, Zukunftswerkstätten und Tagungen im Haus der Demokratie, auf der Langen Nacht der Museen oder an Universitäten wie HU, FU, UDK Berlin.
Zentrale Begriffe Fenners sind die So-Heits-Gesellschaft, das Integrationsmodell sowie die Idee eines Partizipatorischen Welttheaters. Diese Konzepte berufen sich auf ein ganzheitliches, evolutionäres Menschenbild. Der Mensch wird als plastisches Wesen verstanden, eingebunden in Resonanzen, Wechselwirkungen, Selbstorganisation und symbolische Repräsentation. Künstlerisches Denken ist dabei keine Zierde, sondern Überlebensform:
"Wenn der Mensch sich nicht das künstlerische Handwerkszeug aneignet – zu seiner eigenen kriminalistischen Selbstverständnis – wird die Menschheit aussterben."
Theoretische Fundamente
Fenner arbeitete mit einem multiperspektivischen Erkenntnismodell. Er verband die klassische Analyse wissenschaftlicher Systeme mit intuitiv-assoziativen Zugängen und suchte nach einer Versöhnung von Logos und Bild, Rationalität und Ästhetik. In zahlreichen Gesprächen mit Prof. Tembruck (Verhaltensbiologie), Prof. Wessel (Kulturwissenschaft), Prof. Eibesfeldt (Ethologie) u.a. untersuchte er Grenzbereiche zwischen Instinkt, Symbol, System und Ethik.
Dabei entwickelte er das Konzept eines parallelen Erkenntniswegs:
- Der analytische Weg untersucht Kräfte und Systeme, strebt nach logischer Strukturierung und Prognose (Futur I).
- Der sensitive Weg verarbeitet Erfahrungen, verbindet Erinnerungen, erschafft Bilder und Orakel (Futur II).
- Beide Wege ergeben im Wechselspiel ein Parallelogramm der Erkenntnis – in Anlehnung an chinesisches Gleichgewichtsdenken (Konfuzius), europäische Aufklärung und bildnerische Raumformung.
Seine künstlerisch-epistemologischen Arbeiten nutzen dabei Methoden wie:
- visuelle Symbolik (z. B. roter Punkt, Spirale, Dreieck)
- interaktive Formate (z. B. Mitmachskulptur, Malbücher, Tapeziertische)
- narrative Strategien (Futur II, Schöpfungsgeschichten, Mythenarbeit)
- partizipative Installationen (z. B. "Fest der Grenze", "Kunstgesellschaft")
Rezeption und Bedeutung
Trotz achtfacher Bewerbung wurde Fenner nie zur documenta eingeladen. Seine radikale Erweiterung von Kunst, sein Denken in evolutionären Mustern und seine politische Unabhängigkeit machten ihn zu einem außerhalb des Mainstreams agierenden Grenzgänger. Gleichwohl wurde seine Arbeit mehrfach in Fachkreisen für Kunsttherapie, Gesellschaftsgestaltung, Ästhetik und partizipative Bildungsprozesse rezipiert.
Fenners integrative Ansätze – etwa zum funktionierenden Menschen, zur Verbindung von Ästhetik und Ethik, oder zu einem neuen Kunstbegriff als Erkenntnisform – gelten heute als visionäre Ansätze in Zeiten multipler Krisen. Seine Plattform Globale Schwarmintelligenz dient seit 2023 als digitales Archiv, Denkraum und Mitmach-Infrastruktur für künstlerisch Forschende.
Weblinks
Globale Schwarmintelligenz (Projektseite) (Platzhalter)
Dokumentationen in: Haus der Demokratie, Hamburger Kunsthalle, Freie Berliner Kunstausstellung, Museum für Kommunikation, Akademie der Künste, Veranstaltungen HU/FU/UDK Berlin
Literatur und Quellen
- Wolfgang Fenner: "Künstlerisches Denkwerkzeug des dritten Jahrtausends" (Manuskript)
- "Zweites Erwachsenen-Malbuch" (Konzepttext)
- Franz Oppenheimer: System der Soziologie
- Joseph Beuys: Erweiterter Kunstbegriff und Soziale Plastik
- Gespräche mit Prof. Tembruck, Wessel, Eibesfeldt u.v.m.
Zitat:
"Kunst ist die Grammatik eines neuen Weltbezugs."
Dieser Artikel basiert auf biografischen Notizen, Archivmaterialien und künstlerischen Dokumentationen aus dem Werk von Wolfgang Fenner.