Ausgangsproblem: Verlust des traditionellen Menschenbildes

Aus Globale-Schwarm-Intelligenz

Wenn der Mensch nicht mehr als autonomes Subjekt, sondern als Funktionsteil plastischer Tätigkeits- und Abhängigkeits-Konsequenzen verstanden wird, verlieren viele klassische Zuschreibungen ihre ontologische Grundlage. Eigenschaften wie festes Ich, stabile Identität, Besitz von Stoffen oder eine privilegierte Sonderstellung erweisen sich als symbolische Konstruktionen. Übrig bleibt die Frage, ob der Mensch in diesem Funktionsverständnis vollständig in allgemeinen Durchgangsprozessen aufgeht oder ob sich dennoch ein spezifischer Differenzpunkt bestimmen lässt.

Abstraktionen und symbolische Welten

Symbolische Welten – Sprache, Recht, Moral, Identität, Institutionen – sind nicht per se falsch, aber sekundär. Sie abstrahieren aus realen Tätigkeits- und Abhängigkeits-Konsequenzen und erzeugen scheinbar stabile Entitäten. Diese Konstrukte gewinnen Eigenmacht, wenn sie von ihren funktionalen Grundlagen abgelöst werden. In einem plastischen Verständnis sind sie daher nicht das Wesen des Menschen, sondern Werkzeuge und Nebenprodukte bestimmter Organisationsformen.

Der verbleibende Kern: leiblich-zeitliche Vollzugseinheit

Was vom Menschen bleibt, ist keine Substanz und kein Symbol, sondern eine leiblich-zeitliche Vollzugseinheit. Einzigartig ist nicht der Stoff – dieser zirkuliert –, sondern die konkrete Weise, wie Tätigkeiten, Widerstände und Konsequenzen in einem Körper-Zeit-Kontinuum zusammenlaufen. Der Mensch unterscheidet sich von anderen Durchgangsstationen nicht dadurch, dass er ein Durchgang ist, sondern wie sich Durchgänge in ihm verschränken.

Plastische Selbstreferenz als Differenzpunkt

Ein zentraler Differenzpunkt liegt in der Fähigkeit zur plastischen Selbstreferenz. Der Mensch kann nicht nur Tätigkeiten vollziehen, sondern diese in ihrem Vollzug wahrnehmen, verzögern, umlenken und in neue Rückkopplungsschleifen überführen. Diese Selbstreferenz ist kein abstraktes Bewusstsein im klassischen Sinn, sondern ein leiblich eingebetteter Prozess, der innerhalb der 51:49-Asymmetrie operiert. Sie bleibt immer unvollständig, leicht verschoben und nie total – genau darin liegt ihre Stabilität.

Zeitverdichtung und Verantwortungsfähigkeit

Ein weiterer spezifischer Aspekt ist die Fähigkeit zur Zeitverdichtung. Im Menschen überlagern sich Vergangenheit, Gegenwart und antizipierte Zukunft in verdichteter Form. Dadurch entstehen Handlungen, deren Konsequenzen über den unmittelbaren Moment hinaus reichen. Verantwortung ergibt sich hier nicht aus moralischer Überhöhung, sondern aus der realen Fähigkeit, Rückkopplungen über längere Zeiträume mitzuvollziehen und zu beeinflussen.

Einzigartigkeit ohne Sonderstatus

Das Einzigartige am Menschen liegt somit nicht in einer metaphysischen Sonderstellung, sondern in einer besonderen Organisationsdichte plastischer Prozesse. Der Mensch ist eine hochkomplexe Durchgangsstation, in der Stoffe, Energien, Wahrnehmungen, Symbole und Zeitrelationen in außergewöhnlicher Weise gekoppelt sind. Er ist nicht „mehr“ als andere Durchgangsformen, aber auch nicht austauschbar, da jede dieser Kopplungen irreversibel einmalig ist.

Ergebnis

Übrig bleibt kein isoliertes Subjekt, sondern ein konkreter, irreversibler Vollzug. Der Mensch ist weder bloße Abstraktion noch reines Symbolwesen, sondern eine plastische Konstellation, in der sich Welt für einen Moment bündelt und rückwirksam verändert. Darin liegt seine Einzigartigkeit gegenüber anderen Durchgangsstationen – nicht als Herr der Prozesse, sondern als verdichteter Ort ihrer Rückkopplung.