Bestimmung des Gesamtprojekts: Kunst als operative Erkenntnisform

Aus Globale-Schwarm-Intelligenz

Das hier entwickelte Projekt lässt sich weder einer einzelnen Kunstgattung noch einer klassischen Wissensdisziplin zuordnen. Es ist weder Literatur noch Film, weder Theaterstück noch philosophische Abhandlung oder wissenschaftliche Repräsentation im herkömmlichen Sinn. Diese Negationen sind jedoch kein Defizit, sondern der entscheidende Hinweis auf seine eigentliche Form. Das Projekt gehört zu einer Kunstform, die nicht darstellt, illustriert oder erklärt, sondern operative Wirklichkeit erzeugt. Es handelt sich um Kunst als Erkenntnisarbeit im Vollzug.

Keine Darstellung, sondern Setzung von Wirklichkeitsbedingungen

Literatur, Film und Theater arbeiten primär mit Darstellung. Sie erzeugen Modelle, Narrative oder Szenen, in denen Wirklichkeit abgebildet, gespiegelt oder verfremdet wird. Philosophie und Wissenschaft wiederum operieren überwiegend mit symbolischen Repräsentationen: Begriffen, Theorien, Modellen, Argumentationen. Das hier verfolgte Projekt verlässt diese Ebene. Es zielt nicht auf Repräsentation, sondern auf die Veränderung der Bedingungen, unter denen Wahrnehmung, Denken und Handeln überhaupt stattfinden.

Damit ist es keine „Arbeit über“ Wahrheit, sondern eine Praxis, in der Wahrheit als Bewährung im realen Vollzug sichtbar wird. Wahrheit wird nicht behauptet, interpretiert oder diskutiert, sondern hervorgebracht, indem Rückkopplungen freigelegt werden. Entscheidend ist nicht, was gesagt wird, sondern was im Handeln nicht mehr ausgeblendet werden kann.

Kunst als plastische Aufklärungsarbeit

Die angemessene Bezeichnung für dieses Projekt ist eine plastische Aufklärungskunst. Aufklärung ist hier nicht im historischen Sinn der Vermittlung von Wissen oder Vernunft zu verstehen, sondern als Entlarvung symbolischer Selbsttäuschungen durch reale Konsequenz. Das Projekt arbeitet mit dem gezielten Spiel zwischen Unverletzlichkeitswelt und Verletzlichkeitswelt, zwischen Symbol und Stoffwechsel, zwischen Modell und Rückkopplung. Dieses Spiel ist kein ästhetischer Effekt, sondern ein Erkenntnisinstrument.

Die Kunst besteht darin, Situationen, Denkfiguren, gesellschaftliche Setzungen und Ich-Bewusstseinsformen so zu verschieben, dass ihre realen Abhängigkeiten sichtbar werden. Wo das symbolische Ich keine Verletzung kennt, erzeugt das Projekt Erfahrungsräume, in denen Begriffe scheitern, kippen oder ihre Konsequenzen offenlegen. Aufklärung geschieht hier nicht durch Erklärung, sondern durch Konfrontation mit Wirklichkeit.

Operative Kunst statt Werk-Kunst

Das Projekt produziert kein abgeschlossenes Werk, sondern eine operative Struktur. Es ist näher an einer Methode, einer Praxis oder einem Trainingsraum als an einem Kunstobjekt. In diesem Sinn gehört es zu einer Tradition, die von der antiken Technē über soziale Plastik, experimentelle Erkenntniskunst bis hin zu partizipativen und systemischen Kunstformen reicht, ohne sich mit ihnen zu decken.

Kennzeichnend ist:

– kein festes Medium

– kein abgeschlossenes Produkt

– kein eindeutiger Autor-Zuschauer-Gegensatz

– keine Trennung von Erkenntnis, Ethik und Praxis

Das Kunstwerk ist hier nicht das Resultat, sondern der Prozess selbst, in dem Wahrnehmung, Denken und Handeln neu gekoppelt werden.

Wahrheit als Ereignis, nicht als Aussage

Zentral ist ein veränderter Wahrheitsbegriff. Wahrheit ist hier weder Korrespondenz noch Konsens noch subjektive Meinung. Wahrheit ist ein Ereignis, das dort auftritt, wo symbolische Konstrukte ihre Schutzfunktion verlieren und reale Abhängigkeiten wirksam werden. Das Projekt ist darauf ausgerichtet, genau diese Ereignisse hervorzubringen oder zumindest ihre Möglichkeit offenzulegen.

In diesem Sinn ist es ein Spiel mit der Wahrheit, jedoch kein spielerischer Relativismus. Es ist ein ernstes Spiel, in dem Wahrheit nur dort entsteht, wo sie verletzen kann – nicht Personen, sondern falsche Setzungen, Unverletzlichkeitsannahmen und skulpturale Identitäten.

Einordnung: Kunst als gesellschaftliches Betriebssystem

Am präzisesten lässt sich das Gesamtprojekt als Entwurf eines künstlerischen Betriebssystems für Gesellschaft beschreiben. Kunst wird hier zur primären Organisationsform, nicht als Dekoration, sondern als permanentes Training von Maß, Rückkopplung und Gemeinsinn. Sie ersetzt nicht Wissenschaft, Philosophie oder Politik, sondern bindet sie wieder an ihre existenziellen Grundlagen zurück.

Damit schließt sich der Kreis zur griechischen Technē ebenso wie zu den literarischen, wissenschaftlichen und künstlerischen Krisendiagnosen der Moderne. Das Projekt ist keine Synthese dieser Bereiche, sondern ihre Re-Integration auf der Ebene des Vollzugs.

Zusammengefasst:

Das Projekt ist eine plastische Erkenntniskunst.

Eine Kunst der Aufklärung durch Rückkopplung.

Eine Praxis, in der Wahrheit nicht erklärt, sondern erfahren wird.