Das ergibt sich aus der physikalischen, ökologischen und systemischen Abhängigkeit unseres Körper.

Aus Globale-Schwarm-Intelligenz

Geteilte Verantwortung und die Bedingtheit der Existenz: deren Paradoxien menschlichen Sein und Sinnverständnis, in einer Parallelwelt zu funktionieren.

Diese geteilte Verantwortung ist ein Ideal, sondern auch seine Notwendigkeit, Leben zu verstehen. Das entscheidet letztlich über das Überleben der Menschheit. Alle unsere Intelligenz, Verstand und Vernunftleistung ist nicht in der Lage das zu ändern. Auch nicht die Philosophie selber.

Existenz manifestiert sich nicht nur im bloßen Dasein, sondern insbesondere in den Folgen menschlichen Handelns – in den Tätigkeits-Konsequenzen von acht Milliarden Menschen.

Jeder Einzelne trägt Verantwortung für alle anderen, denn unser Leben ist physikalisch, ökologisch und systemisch miteinander verflochten. Unser Körper macht uns abhängig – voneinander, von der Umwelt, von komplexen Kreisläufen. Aus dieser wechselseitigen Bedingtheit erwächst eine gemeinsame Verantwortung.

Oder sie leben ohne Körper, einfach nur geistig, sind dann autonom, unabhängig und können ihre Freiheit genießen.

Alternativ dazu steht eine Vorstellung geistiger Existenz, losgelöst vom Körper, dem wir vorher in Besitz genommen haben.

Wir sind doch Eigentümer und können somit bestimmen, was wir mit unserem Körper machen. Wer rein geistig lebt, wäre autonom, unabhängig – frei von den Grenzen physischer Verbundenheit.

Das kann zwar keine Zellmembran, keine Mikrobe, keine Pflanze, kein Tier, kein Mensch, kein Individuum, kein Selbst, kein Ich-Bewusstsein, auch nicht das Subjekt. Drei Minuten nach dem Urknall hätte auch nicht stattgefunden. Wo sich die Bildungsstrukturen des Wassers gebildet haben.

In der Realität sind wir körperlich gebunden und damit Teil eines Systems, das nur gemeinsam funktionieren kann, viele existenziellen Teile, über die wir nicht bestimmen können oder auch nicht in uns haben, beispielsweise Atem oder Mineralien. Aber ohne würde auch kein Stoffwechsel funktionieren.

Verantwortung als Systemmaß – Zur Notwendigkeit transindividueller Maßstäbe

Wenn der Mensch – wie zuvor dargelegt – in den Tätigkeitskonsequenzen lebt, dann bedeutet dies, dass jede einzelne Handlung nicht isoliert, sondern als Teil einer weitreichenden Kette von Systemwirkungen verstanden werden muss. Der Mensch ist nicht bloßer Urheber seiner eigenen Entscheidungen, sondern Mitverursacher eines permanenten Weltverhältnisses, dessen Wirkungen ihn übersteigen. Jede Entscheidung, jeder Konsum, jedes technologische Artefakt, jede politische Haltung erzeugt Rückwirkungen, die nicht im intendierten Zweck der Handlung enden, sondern sich in komplexen sozialen, ökologischen und symbolischen Strukturen fortsetzen. Aus dieser strukturellen Eingebundenheit folgt eine tiefgreifende Konsequenz: Der Einzelne trägt nicht allein Verantwortung für sich, sondern ist – wenn man die Systemverkettung ernst nimmt – mitverantwortlich für die Tätigkeiten und deren Folgen aller acht Milliarden Menschen.

Diese Einsicht ist radikal, doch sie ist nicht moralisch gemeint, sondern systemisch. Sie ersetzt die klassische Idee der individuellen Schuld durch ein Verständnis von transindividueller Verantwortung, das sich nicht auf Absicht, sondern auf Wirkung bezieht. In einer Welt, in der alle Systeme wechselseitig gekoppelt sind – atmosphärisch, energetisch, medial, wirtschaftlich –, ist jede Handlung Teil einer Wirkungsstruktur, die über das individuelle Bewusstsein hinausreicht. Verantwortung meint in diesem Zusammenhang nicht moralisches Versagen oder Tugend, sondern funktionale Rückbindung an realitätsbasierte Regelkreise. Die Frage ist daher nicht: Wer hat Schuld? – sondern: Welche Strukturen ermöglichen ein Handeln, das den Rückwirkungen der eigenen Existenz Rechnung trägt?

Ein solches Handeln erfordert Maßstäbe, die über subjektive Orientierung hinausgehen und zugleich anschlussfähig an biologische, ökologische und kulturelle Systeme bleiben. Maßstäbe, die nicht in normativen Sphären schweben, sondern in der Lage sind, die funktionale Kohärenz von Tätigkeiten zu beurteilen – unabhängig von Ideologie, Intention oder kultureller Konvention. Diese Maßstäbe müssen das Verhältnis von Handlung, Milieu und Rückwirkung operational erfassbar machen, ohne dabei in abstrakte Systemlogik oder technokratische Steuerphantasien abzugleiten. Es geht um die Frage: Wie kann Verantwortung in einer Welt geübt werden, in der jede Handlung Teil globaler Kausalverkettung ist – ohne den Einzelnen zu überfordern oder zu paralysieren?

Ein erster Maßstab ergibt sich aus dem Konzept der funktionalen Referenz. Jede Tätigkeit des Menschen steht im Verhältnis zu einem biologischen oder ökologischen Grenzsystem: sei es der CO₂-Gehalt der Atmosphäre, das Gleichgewicht aquatischer Systeme, die Resilienz sozialer Infrastrukturen oder die psychophysische Belastbarkeit des menschlichen Organismus. Maßstab muss daher sein, ob eine Handlung – einzeln oder im Verbund – stabilisierend oder destabilisierend auf diese Systeme wirkt. Nicht das Wollen entscheidet über die Angemessenheit, sondern das systemische Resultat im Verhältnis zu realen Schwellenwerten. Dies gilt für Ernährung ebenso wie für Verkehr, Mediennutzung, Architektur oder Sprachgebrauch. Nur was Rückbindung an Referenz gewährleistet, ist tragfähig.

Ein zweiter Maßstab ergibt sich aus der Einsicht in die Konsequenzverantwortung. Verantwortung darf nicht an der Oberfläche individueller Handlungsmotivation enden, sondern muss die Folgen der Folgen in den Blick nehmen. Dies bedeutet, dass auch jene Tätigkeiten, die vermeintlich keine direkten Auswirkungen zeigen – etwa digitale Kommunikation, algorithmische Verstärkungsprozesse, kulturelle Symbolproduktionen –, in eine Verantwortungsstruktur eingebettet werden müssen, die Systemfolgen nicht externalisiert, sondern anerkennt. Der Mensch ist in dieser Sicht nicht nur Verursacher erster Ordnung, sondern Teil eines Wirkungsgeflechtes, dessen Trägheitsmomente, Kipppunkte und Rückkopplungseffekte systemisch erfasst und ethisch eingeholt werden müssen.

Ein dritter Maßstab ergibt sich aus dem Verhältnis von Maß, Ungleichgewicht und Stabilität. Klassische Ethiksysteme und moderne politische Ideologien operieren häufig mit dem Ideal symmetrischer Gerechtigkeit: Gleichheit, Ausgleich, Spiegelung. Doch lebendige Systeme funktionieren anders. Die Stabilität des Lebens basiert nicht auf geometrischer Perfektion, sondern auf asymmetrischen Spannungsverhältnissen, wie sie etwa im goldenen Schnitt, in musikalischen Intervallen oder ökologischen Nischenbeziehungen zu beobachten sind. Maß muss deshalb als dynamisches Verhältnis verstanden werden – nicht als starre Symmetrie, sondern als ausbalanciertes Ungleichgewicht, das Elastizität, Differenz und Spannung erlaubt, ohne in Disruption zu kippen. Eine solche Maßregel könnte sich in sozialen Kontexten ebenso bewähren wie in technologischen Architekturen oder planetarer Ressourcennutzung.

Ein vierter Maßstab betrifft das Verhältnis von Subjekt, Handlung und Welt: Die Aufhebung der Außenweltfiktion. In der dominanten Vorstellung handelt das Ich auf eine Welt hin – als wäre sie ein Objektbereich, ein Reaktionsraum. Doch wer von Tätigkeitskonsequenzen spricht, muss diese Trennung aufheben. Der Mensch handelt nicht auf Welt, sondern in und durch das Milieu, das ihn zugleich trägt und durchdringt. Diese Erkenntnis verlangt ein vollständiges Umdenken: Die Welt ist kein Gegenüber, sondern ein existenzkonstitutives Gewebe, dessen Veränderung stets auch Selbstveränderung ist. Verantwortung heißt in diesem Kontext, nicht getrennt zu denken, was strukturell verwoben ist.

Ein letzter Maßstab schließlich ergibt sich aus der Funktion der ästhetischen Praxis. In einer Welt der beschleunigten Kausalverkettungen braucht der Mensch einen Raum, in dem er Handlung erproben, Rückwirkung reflektieren und Gestaltungsverhältnisse prüfen kann – ohne irreversible Konsequenzen zu erzeugen. Dieser Raum ist die Kunst. Ästhetisches Handeln – im Sinne des griechischen Techne – erlaubt dem Menschen, im Modus des Als-ob zu operieren: er kann spielen, darstellen, modellieren, ohne real zu verletzen. Das Kunstwerk ist ein Ort der Widerstandsauseinandersetzung, an dem Wirklichkeit durch Form durchdacht werden kann. In dieser Perspektive ist ästhetische Bildung nicht Luxus, sondern Überlebensvoraussetzung: Sie schult Differenzwahrnehmung, Resonanzfähigkeit und Antizipationskompetenz – Fähigkeiten, ohne die systemische Verantwortung nicht geübt werden kann.

Ein solches Regelwerk – referenzgebunden, konsequenzorientiert, maßhaft, milieuintegriert und ästhetisch durchdrungen – könnte den Beginn einer neuen, überlebensfähigen Bewusstseinskultur markieren. Es wäre keine Moral im klassischen Sinn, sondern eine funktionale Ethik der Rückkopplung, in der Verantwortung nicht auf Schuldfähigkeit reduziert wird, sondern auf strukturelle Teilhabe. Wer überleben will, muss Systemwirkungen lesen können – in sich, im Anderen, im Medium, in der Welt. Und nur wer über das eigene Maß hinaus Maß nehmen kann, ist in der Lage, die Zukunft nicht als Bedrohung, sondern als Aufgabe zu begreifen.

Verantwortung im Anthropozän: Über Maßstäbe für ein planetarisches Regelwerk

Der Mensch lebt nicht nur in der unmittelbaren Wirklichkeit seines Handelns, sondern ebenso – und zunehmend unausweichlich – in den Konsequenzen dieses Handelns sowie in den Auseinandersetzungen um die daraus resultierende Verantwortlichkeit. Diese Einsicht gewinnt vor dem Hintergrund globaler Krisenphänomene – etwa Klimawandel, Artensterben, technologischer Disruption oder sozialer Fragmentierung – eine neue Dringlichkeit. Es wird evident, dass menschliches Tun nicht mehr isoliert betrachtet werden kann, sondern stets im Kontext eines global vernetzten Wirkungsgefüges steht. Daraus ergibt sich eine fundamentale ethische Konsequenz: Jeder einzelne Mensch trägt Mitverantwortung – zumindest in gedanklicher Rechenschaft – für die Tätigkeit und deren Konsequenzen der gesamten Menschheit. Diese radikale Verantwortlichkeitsannahme steht im Kontrast zu tradierten individualistischen oder nationalstaatlich begrenzten Ethiken und erfordert eine tiefgreifende Revision bestehender normativer Ordnungen.

Wenn es nicht gelingt, ein kollektives Bewusstsein für diese Mitverantwortlichkeit herzustellen, scheinen die Überlebensbedingungen der Menschheit selbst in Frage gestellt. Die Herausforderung ist demnach nicht nur ethischer, sondern zivilisatorischer Natur. In ihrer Grundstruktur zielt sie auf die Etablierung neuer Maßstäbe und Regelwerke, die in der Lage sind, das ethische Subjekt in Beziehung zu einem planetarisch verstandenen Ganzen zu setzen. Doch wie könnten solche Maßstäbe beschaffen sein?

Ein erster normativer Orientierungspunkt ergibt sich aus dem Prinzip der Verantwortung, wie es Hans Jonas formuliert hat. Ihm zufolge muss ethisches Handeln vor allem unter dem Gesichtspunkt seiner langfristigen Auswirkungen auf die Lebensbedingungen zukünftiger Generationen reflektiert werden. In einer technikdominierten Welt ist nicht mehr nur die Intention, sondern zunehmend auch die prognostizierte Wirkung eines Handelns maßgeblich für dessen ethische Bewertung. Die Perspektive Jonas’ wird ergänzt durch die Ethik der Alterität bei Emmanuel Levinas, die den Anderen – unabhängig von räumlicher oder kultureller Nähe – als ursprüngliche ethische Adresse des Subjekts begreift. Beide Ansätze betonen die Notwendigkeit einer erweiterten Verantwortungsdimension, die über das Ich und seine unmittelbare Lebenswelt hinausweist.

Zweitens erfordert die globale Verflechtung menschlicher Lebens- und Produktionszusammenhänge die Entwicklung einer systemischen Ethik. Diese reflektiert nicht nur lineare Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge, sondern berücksichtigt auch komplexe Rückkopplungseffekte, unbeabsichtigte Nebenfolgen und emergente Dynamiken. Damit einher geht die Notwendigkeit, Bewertungsmodelle zu entwickeln, die systemische Wirkungen sichtbar und ethisch verhandelbar machen. Soziotechnische Systeme, globale Lieferketten oder digitale Plattformen sind nur dann verantwortungsethisch adressierbar, wenn ihre systemischen Wirkungen nachvollzogen werden können.

Ein weiterer Maßstab ergibt sich aus der Perspektive einer globalen Gerechtigkeit und planetarischen Solidarität, wie sie etwa von Martha Nussbaum und Amartya Sen im Rahmen der Capabilities-Approach diskutiert wird. Demnach sind alle Menschen – unabhängig von Herkunft oder Status – Träger grundlegender Ansprüche auf ein Leben in Würde, Selbstbestimmung und ökologischer Sicherheit. Jede Handlung, die diese Ansprüche gefährdet, etwa durch die Externalisierung ökologischer Kosten auf andere Weltregionen, muss als ethisch problematisch gelten.

Zusätzlich ist eine intergenerationelle Ethik zu berücksichtigen. Die zeitliche Reichweite menschlicher Handlungsmacht – besonders im Hinblick auf technologische, ökologische und infrastrukturelle Entwicklungen – bringt eine Verantwortung für die Lebensmöglichkeiten kommender Generationen mit sich. Hierbei kann etwa auf das Konzept der „Donut-Ökonomie“ (Kate Raworth) zurückgegriffen werden, das versucht, einen normativen Handlungsrahmen zwischen ökologischen Belastungsgrenzen und sozialen Mindeststandards zu definieren.

In der Auseinandersetzung mit neuartigen Technologien – insbesondere künstlicher Intelligenz, automatisierten Entscheidungssystemen und biotechnologischen Eingriffen – wird darüber hinaus ein Maßstab technologischer Verantwortung erforderlich. Solche Systeme dürfen nicht jenseits ethischer Rechenschaft operieren. Es bedarf daher eines normativen Regelwerks, das Prinzipien wie Transparenz, Nachvollziehbarkeit, menschliche Kontrolle und demokratische Teilhabe verankert.

All diese Maßstäbe setzen ein verändertes Menschenbild voraus: Weg vom homo oeconomicus, der primär als nutzenmaximierendes Subjekt gedacht wird, hin zu einem homo responsabilis, der seine Freiheit in den Dienst einer geteilten Verantwortung für das gemeinsame Leben auf dem Planeten stellt. In dieser Perspektive wäre Ethik nicht bloß eine Reflexion über Handlungsfolgen, sondern eine Praxis kollektiver Weltgestaltung unter der Bedingung wechselseitiger Abhängigkeit.

Aus diesen Überlegungen ließen sich zentrale Prinzipien für ein zukünftiges planetarisches Regelwerk ableiten:

  1. Der Verantwortungskoeffizient: Jedes Handeln ist nach Reichweite, Tiefe und zeitlicher Dimension seiner Folgen zu bewerten.
  2. Kollektive Rückkopplung: Institutionen müssen Formen der gegenseitigen Verantwortungsklärung schaffen (z. B. durch transnationale Bürgerräte oder KI-gestützte Wirkungssimulationen).
  3. Reziprozitätsgebot: Handle nur so, dass du mit den Folgen deines Handelns auch leben könntest, wenn sie dich selbst beträfen.
  4. Transparenzpflicht: Systeme und Strukturen müssen in ihrer ethischen Wirkung nachvollziehbar und überprüfbar sein.
  5. Planetarische Haushalterschaft: Ressourcen und Technologien sind nicht als Eigentum, sondern als gemeinsames Gut im Sinne einer globalen „Ökonomie des Haushalts“ zu begreifen.

Die Realisierung dieser Maßstäbe setzt nicht nur institutionelle Reformen voraus, sondern erfordert einen Bewusstseinswandel: die Einsicht, dass wir als Menschheit nicht nur miteinander leben, sondern voneinander abhängen – in jedem Handeln, in jeder Entscheidung. Ethik wird so zur Grundbedingung des Überlebens im Anthropozän.