Die So-Heits-Gesellschaft als Modell künstlerischer Anthropologie und Zukunftspraxis

Aus Globale-Schwarm-Intelligenz

Die So-Heits-Gesellschaft ist ein interdisziplinäres Denkmodell, das sich aus einer künstlerischen Praxis heraus entwickelt hat und anthropologische, ökologische, gesellschaftliche sowie erkenntnistheoretische Perspektiven miteinander verbindet.

Sie versteht sich nicht nur als utopisches Narrativ oder als Gegenentwurf zu bestehenden sozialen Ordnungen, sondern als methodisches Werkzeug zur Einübung eines anderen Weltverhältnisses – einer Haltung, in der Berührung, Tätigkeit und Beziehung zentrale Erkenntnismittel darstellen. Dabei geht es nicht um eine Rückkehr zur Natur oder eine idealisierte Ursprungsform des Menschseins, sondern um die Entwicklung eines funktionalen Selbstverständnisses: Der Mensch als Teilorganismus in einem größeren Stoff- und Beziehungssystem, als „plastischer Flüssigkeitsorganismus“, der über seine Sinnesorgane kommuniziert, reguliert und mit der Welt interagiert.

Im Zentrum steht ein verändertes Verständnis von Tatsachen: Die So-Heits-Gesellschaft kritisiert die historisch gewachsene Tendenz der abendländischen Kultur, zwischen Vorstellung und Realität nicht mehr unterscheiden zu können. Der Mensch neigt dazu, seine symbolischen Konstruktionen – Vorstellungen, Begriffe, Werte, Bilder – mit Wirklichkeit gleichzusetzen. Besonders problematisch wird dies dann, wenn Sprache und Denken keine Rückbindung mehr an Körper, Handlung, Stoff und Umwelt haben. In diesem Kontext spricht das Modell von einer „falschen Grammatik“ der Moderne: Einer Weise, über Welt zu sprechen, die systematisch die Voraussetzungen der leiblichen, verletzlichen, ökologisch eingebundenen Existenz vernachlässigt. Die Folge ist eine symbolische Immunisierung des Ich, eine Art kulturelle Selbsttäuschung durch Intentionalität, also durch die Vorstellung, das, worauf sich das Denken bezieht, sei damit bereits Wirklichkeit. Dieser Irrtum hat weitreichende Konsequenzen für die gesellschaftliche Realität, für Begriffe wie Besitz, Macht, Kontrolle und Wahrheit – und ist nach diesem Modell eine der Ursachen für das anthropogene Selbstzerstörungspotential in Zeiten des ökologischen und sozialen Umbruchs.

Demgegenüber stellt die So-Heits-Gesellschaft ein prozessorientiertes Lern- und Lebensmodell zur Verfügung. Es gründet auf der Idee, dass der Mensch als Künstler seiner eigenen Lebensform auftreten muss – nicht im Sinne des „freien Gestalters“ ohne Rückbindung, sondern als jemand, der seine Existenzbedingungen in künstlerischer Praxis erfahrbar, überprüfbar und veränderbar macht. Der Ausgangspunkt ist dabei der Körper: das plastische Ich-Bewusstsein im Toleranzraum zwischen Innen- und Außenwelt, zwischen Reiz und Reaktion, zwischen Verletzbarkeit und Gestaltungskraft. Die Trainingsmethoden, die in diesem Rahmen entwickelt wurden, folgen konsequent dieser leibbezogenen Perspektive: Schwimmen, Kartoffelschälen, Malen im Sand, Arbeiten an der Tafel, das Theaterspiel – all diese Handlungen dienen als Medien der Schulung von Unterscheidungsvermögen zwischen Denktätigkeit und realer Tätigkeit. Sie erzeugen ein „Training in Weltbeziehung“ und eröffnen damit eine Kommunikationssprache, die nicht primär auf Repräsentation, sondern auf Resonanz und Interaktion zielt.

Diese Kommunikation durch Handlung wird dabei nicht als rein subjektives oder kunstpädagogisches Instrument verstanden, sondern als Grundform einer ökologisch, sozial und anthropologisch begründeten Ethik. Der Mensch ist nicht autonom – er ist funktional eingebettet in größere Zyklen, Systeme und Stoffwechselkreisläufe, wie sie insbesondere durch das Wasser und seine vier Aggregatzustände sichtbar werden. Wasser ist dabei nicht nur ein ökologischer Stoff, sondern auch ein erkenntnistheoretisches Medium: Es steht für Übergänge, für Formveränderungen, für Zirkulation und Durchlässigkeit – für das Gegenteil einer abgeschlossenen, isolierten Selbstbeschreibung.

Auf dieser Grundlage versteht sich die So-Heits-Gesellschaft als Re-Labor, als Wiederherstellungslabor einer Beziehung zur Welt, die durch technische, politische und symbolische Strukturen zunehmend unterbrochen wurde. Die Auflösung individueller Urheberrechte innerhalb dieser Gesellschaft dient nicht nur der Entprivatisierung von Wissen und Ausdruck, sondern der Wiederherstellung von kollektiven Erfahrungsräumen. Die Idee eines „Generalissimus-Studiums“, das bereits 1975 als Forderung formuliert wurde, findet hier ihre konkrete Entsprechung in der Ausbildung eines allseitig handlungsfähigen Menschen, der sich seines Eingebundenseins bewusst ist und daraus die Notwendigkeit eines neuen Maßes entwickelt.

Der Begriff des Maßes spielt dabei eine zentrale Rolle: Er ersetzt die Vorstellung absoluter Werte durch relationale Ordnungen, die sich im Handeln selbst prüfen und justieren lassen. Der Mensch agiert in einem Referenzraum zwischen Maximum und Minimum, nicht außerhalb davon. Und gerade weil diese Maßverhältnisse nicht beliebig sind, bedarf es eines kontinuierlichen Trainings – einer Schulung der Aufmerksamkeit, der Differenzierung, der Fähigkeit, Spuren zu hinterlassen und Spuren zu lesen. Die Werkzeuge dieses Trainings sind künstlerischer Natur, im weitesten Sinne: Sie umfassen bildnerisches Tun, darstellerisches Spiel, körperliche Präsenz und soziale Praxis gleichermaßen.

Die So-Heits-Gesellschaft ist damit kein abgeschlossenes System, sondern eine offene Form der Weltbeziehung, die auf Unterscheidung und Teilhabe basiert. Sie nimmt die Verletzbarkeit des Lebendigen ernst, ohne sie zu tabuisieren. Sie begreift Kunst nicht als Repräsentation von Welt, sondern als Praxis, die Welt berührt, verändert und lesbar macht. Und sie arbeitet mit dem Menschen nicht als Idealbild, sondern als Faktum – als atmenden, schwitzenden, reagierenden, denkenden und irrenden Organismus, der durch das, was er tut, sichtbar wird.

Wenn du möchtest, kann dieser Text das theoretische Zentrum deiner künstlerischen Arbeit bilden – als Einleitung für ein Buch, als Begleittext für ein Ausstellungsprojekt, oder als Grundlage für ein interdisziplinäres Curriculum zur „So-Heits-Praxis“. Sag gern, ob du diesen Abschnitt noch weiterführen oder gliedern möchtest.