Einleitung zur So-Heits-Gesellschaft – Vom Menschen als Ware zur Verantwortung im Maß
Wir leben heute in einer massiven Ablenkungsrealität. Was als Fortschritt erscheint, ist oft nur ein Verwirrspiel: Medien, Märkte, Techniken, Denkfabriken und Ideologien überlagern die existenzielle Wirklichkeit des Menschen.
Anstatt zur Welt zu kommen, wird das Individuum immer stärker von ihr entfernt – gefangen in Konstrukten, Rollenbildern, Selbstlegitimationen. Der Mensch wird nicht mehr als lebendiges Wesen verstanden, sondern als Produkt: Er „macht“ sich selbst, um sich verkaufen zu können – im globalen Wettbewerb, auf digitalen Märkten, in sozialen Netzwerken. Der Körper wird zum Projekt, die Biografie zur Selbstvermarktung, die Freiheit zur Simulation von Unabhängigkeit. Der Mensch als Unternehmer seiner selbst – das klingt modern, ist aber im Kern nichts anderes als ein neues Sklaventum.
Dabei ist die fundamentale Bedrohung längst da: ökologisch, sozial, geistig. Doch sie wird überdeckt durch Ersatzfragen, Funktionswissen und technokratische Ablenkungsstrategien. Die eigentlichen Fragen – nach Maß, nach Verantwortung, nach der Beziehung zwischen Mensch, Natur und Welt – verschwinden aus dem Diskurs. Stattdessen regiert die Einseitigkeit: wirtschaftliches Wachstum als Dogma, Eigentum als Heilsversprechen, Konkurrenz als Naturgesetz.
In diesem Kontext setzt die Idee einer „So-Heits-Gesellschaft“ an. Sie ist keine Utopie im klassischen Sinne, sondern eine Rückerinnerung: an eine Form des Zusammenlebens, in der das Gemeinsame vor dem Trennenden steht, in der Maß und Mitverantwortung das Handeln bestimmen – und nicht Gewinn und Besitz. Inspiriert vom griechischen Selbstverständnis vor 2500 Jahren, das nicht auf Individuumskult und Privatbesitz, sondern auf Funktion, Maß, Gemeinschaft und Weltordnung beruhte, will die So-Heits-Gesellschaft eine neue Form des Daseins ermöglichen: nicht in Konkurrenz, sondern in Resonanz. Nicht im Haben, sondern im Sein. Nicht als Ware, sondern als Teil eines lebendigen, verwobenen Ganzen.
Die Frage ist nicht, ob das realisierbar ist – sondern ob wir überhaupt eine Zukunft haben, wenn wir nicht in diese Richtung denken. Die So-Heits-Gesellschaft beginnt da, wo das Maß zurückkehrt: in unser Tun, unser Denken, unser Zusammenleben.