Erkenntnistheoretisches Fundament der Weltformel – Narration vs. Rückbindung

Aus Globale-Schwarm-Intelligenz

In der erkenntnistheoretischen Geschichte der Menschheit hat sich der Mensch zunehmend über Erzählungen selbst definiert.

Diese Narrative – seien es religiöse Mythen, politische Utopien oder wissenschaftliche Theorien – schaffen Ordnung, Bedeutung und Identität. Sie operieren mit Konstrukten wie Ursache und Wirkung, Symmetrie und Perfektion, Dualismen wie Körper-Geist, Natur-Kultur oder Subjekt-Objekt.

Diese Muster erzeugen Kohärenz. Doch sie sind keine Abbildung der Wirklichkeit, sondern Werkzeuge zur Herstellung von Sinn. Der Mensch erzählt sich, was die Welt ist – und verwechselt dabei oft das Modell mit dem Modellierten. So wird aus der narrativen Struktur eine ontologische Behauptung. Das ist der eigentliche Fehler: Die Welt wird nicht mehr befragt, sondern nur noch bestätigt.

Genau hier liegt das zentrale Paradox unserer Zeit: Wir versuchen, das Leben mit Modellen der Kontrolle zu bewältigen, statt mit Rückkopplung, Austausch und Reaktion auf die Wirklichkeit zu leben. Die westliche Welt denkt in Gegensätzen – Geist und Körper, Mensch und Natur, Kontrolle oder Chaos. Dieses Denken in Symmetrie (50:50) wirkt auf den ersten Blick ausgleichend – ist aber letztlich ein Irrtum. Denn echtes Leben funktioniert nicht durch Gleichgewicht, sondern durch kleine Ungleichgewichte. Es lebt von Spannung, Veränderung, Bewegung.

Der Symmetriedualismus (50:50-Denken) ist ein Paradebeispiel dafür: In ihm wird Gleichheit mit Gerechtigkeit, Balance mit Wahrheit, Ordnung mit Wirklichkeit verwechselt. In der Natur jedoch gibt es keine perfekte Symmetrie. Sie ist eine mathematische Abstraktion – kein biologisches oder ökologisches Prinzip. Evolution, Wachstum, Lernen, Stoffwechsel – all diese Prozesse beruhen auf minimalen Asymmetrien, Dynamik, Fehlertoleranzen, Plastizität.

Das Leben funktioniert im 51:49-Modus: nicht perfekt, sondern tragfähig.

Nicht ausbalanciert, sondern in Balance gehalten. Nicht abgeschlossen, sondern rückmeldend. Genau hier liegt der Unterschied zur Erzählung:

  • Narration ist eine symbolische, oft linear strukturierte Selbstlegitimation, die interne Kohärenz erzeugt – aber keine Rückbindung verlangt.
  • Funktionale Rückbindung hingegen misst ein Modell an seiner Wirkung auf das Lebendige, nicht an seiner inneren Logik.

Wissenschaft, die sich ausschließlich auf Konstrukte stützt, verliert die Fähigkeit zur Rückkopplung. Sie wird dogmatisch, normierend, kontrollierend. Ihre Begriffe (wie Perfektion, Objektivität, Gleichgewicht) werden dann nicht mehr geprüft, sondern verwaltet.

Die Weltformel 51:49 setzt dem einen Maßstab entgegen, der das Konstruktive am Gewordenen misst – nicht umgekehrt. Sie fordert: Erkenntnis muss rückmeldungsfähig sein. Sie darf nicht nur erklären, sie muss auch bestehen – im Test der Wirklichkeit.

Die Konsequenz ist ein erkenntniskritischer Paradigmenwechsel: Vom narrativen Selbstbild zur plastischen Beziehung zum Lebendigen. Die Welt ist kein Text, sondern ein Gesprächspartner. Wer zuhören kann, erkennt: Erkenntnis ist kein Besitz, sondern Beziehung.