So ich mir

Aus Globale-Schwarm-Intelligenz

Wolfgang Fenner – Künstler, Forscher, ganzheitlicher Systemdenker

Ich wurde am 28. September 1948 in Einhaus, Schleswig-Holstein, geboren.

Seit den frühen 1970er Jahren arbeite ich als interdisziplinärer Künstler an der Schnittstelle zwischen bildender Kunst, gesellschaftlichem Wandel und erkenntnistheoretischer Reflexion. Mein Weg begann handwerklich: Nach meiner Ausbildung zum Maschinenschlosser (1965–1969) entwickelte ich ein fotografisch-dokumentarisches Interesse und war zunächst als Fotojournalist und in der Werbung tätig. In dieser Zeit entstanden meine ersten medienkritischen und visuellen Arbeiten.

Zwischen 1974 und 1980 studierte ich Bildhauerei an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig bei Prof. Neuenhausen, Prof. Pilgrim und Prof. Chimiotti. Entscheidende Impulse für meine künstlerische Haltung erhielt ich durch Günter Grass, Schmidt-Rottluff und später auch durch Joseph Beuys, die mich in meinem Verständnis von der gesellschaftlichen Verantwortung des Künstlers bestärkten.

Schon in den 1970er Jahren war ich an wegweisenden Projekten beteiligt, die Kunst mit politischen und ökologischen Fragestellungen verbanden. In Lüneburg konzipierte ich ein Film-Musical leben an einem Fluss, gründete eine Jugendzeitung und initiierte eine experimentelle Galerie. An der Heim-Volkshochschule Hermannsburg entwickelte ich 1973/74 erste Konzepte einer „Katastrophenkunst“, die prognostische Szenarien mit gesellschaftlicher Partizipation verband. Mein Ziel war es von Anfang an, künstlerische Verfahren nicht nur als Ausdrucksform, sondern als erkenntnistheoretische Werkzeuge zu begreifen.

Parallel zu meiner künstlerischen Tätigkeit arbeitete ich in den 1974/75er Jahren als Assistent an der HDK, konzipierte einen Studiengang für experimentelle Umweltgestaltung und entwickelte ästhetisch-erfahrbare Methodensysteme – etwa in Form von Malbüchern (Autobahn-, Fußgänger-, Studio-Malbuch) und Mitmachaktionen. Meine Kunst zielte stets auf Empathietraining, plastische Wissensbildung und das Überschreiten disziplinärer Trennlinien.

In den 1980er Jahren war ich in Hamburg, Bremen, Düsseldorf und Berlin in unterschiedlichen Kontexten als Performancekünstler, Konzeptentwickler und politischer Aktivist tätig. Ich beteiligte mich an Aktionen zur Stadtkultur, zum erweiterten Kunstbegriff (u.a. mit Beuys, Kelly, Schily) und an den Diskussionen rund um die deutsche Einheit. Meine Aktionsformate – wie Frage-Antwort-Tische, partizipative Diskursräume oder Straßentheater – orientierten sich am Modell des Sofort-Theaters von Augusto Boal. Auch das Fernsehen bezog ich mit ein, unter anderem durch Beiträge in der TAZ, im NDR oder in Talkformaten.

Ich stellte den Kunstbegriff systematisch in Frage und entwickelte einen Gegenentwurf: Kunst als plastische, lebendige Erkenntnisform, die gesellschaftliche Prozesse sichtbar und verhandelbar macht. Meine künstlerischen Strategien verstand ich als Modelle zur Fehlerdetektion und Selbstprüfung von Systemen – sowohl individuell, ökologisch als auch kollektiv-sozial.

Nach 1990 intensivierte ich meine Arbeit an künstlerischen Gesellschaftsmodellen: Ich gründete die „Temporäre Kunsthalle“ in Ratzeburg, realisierte Aktionen in Dresden, Berlin und München, initiierte „Demokratiewerkstätten“ und entwickelte Symbolinstallationen wie die „Tanglandschaft“ oder den „Abendmahltisch“ als Nachbauten naturstrukturierter Prozesse. Dabei verstand ich meine Arbeit zunehmend als künstlerische Forschung zur Erkenntnistheorie im Anthropozän.

Von 1993 bis 2025 wurde Berlin mein zentraler Wirkungsort: Im „Haus der Demokratie“, in der Künstlergruppe „Kollektive Kreativität“, auf der „Freien Kunstausstellung“, im Museum für Kommunikation sowie in zahlreichen Konferenzen und Ringvorlesungen an Universitäten und in der Akademie der Künste arbeitete ich kontinuierlich an der Verbindung von Kunst und Gesellschaft. In dieser Zeit entstanden Konzepte wie die „Partei der Wirklichkeit“, „Globale Dorffeste“, interaktive Integrationsmodelle, Fax-Patenschaften, Entelechie-Museen, Zukunftswerkstätten und Simulationen plastischer Erkenntnisräume. Mein Ziel war stets, neue Formen der gesellschaftlichen Selbstverständigung zu erproben – jenseits symbolischer Politik oder technokratischer Kontrolle.

2005 entwickelte ich das „Partizipatorische Welttheater“ – ein künstlerisches Großprojekt zur Erprobung globaler Schwarmintelligenz. Es verstand sich als plastisches Systemmodell, das nicht durch lineare Argumentation, sondern durch kollektives Mitgestalten die Grundlagen eines neuen Weltverständnisses erfahrbar machen sollte. Dieses Projekt präsentierte ich u. a. am Brandenburger Tor, auf Kreta und in zahlreichen Berliner Kontexten, blieb jedoch institutionell oftmals ohne Resonanz – etwa in Bewerbungen bei der Documenta oder bei Institutionen wie der Akademie der Künste oder dem Haus der Kulturen der Welt.

Trotz vielfacher Ablehnungen habe ich meine Arbeit fortgesetzt – überzeugt davon, dass nur durch eine ästhetisch fundierte, systemisch reflektierte und partizipativ getragene Kunstpraxis ein neuer Gemeinsinn entstehen kann. Mein aktuelles Plattform-Projekt verstehe ich als Essenz dieser Arbeit: Es soll nicht nur meine künstlerische Methodologie dokumentieren, sondern eine universelle Erkenntnisfigur sichtbar machen – die des funktionierenden Menschen im Spannungsverhältnis 51:49.

Meine zentrale Leitthese: Nur wenn der Mensch das künstlerische Handwerkszeug als Mittel seiner Selbstprüfung und Weltverantwortung wiedererlangt, kann eine neue Kultur entstehen, die der Komplexität des 21. Jahrhunderts gerecht wird. Kunst wird damit nicht Illustration, sondern Instrument kollektiver Wirklichkeitsbildung. Ein „künstlerisches Denkwerkzeug des dritten Jahrtausends“ – als Beitrag zur Überlebensfähigkeit der Menschheit.