Weiß als Farbe und Material spielt eine zentrale Rolle.
Weiß ist auch die Ruhe, die Stille, die verknüpfte Differenz oder Distanz zwischen der Materialität und der Immaterialität, zwischen dem Außen und Innen. Das Nichtwissen, was mein Gehirn produziert und was dann auf dem weißen Blatt Papier erscheint. Dieses Spiel des Griffels zu beobachten, die Spitze zu sehen, was auf dem weißen Blatt Papier oder der weißen Leinwand entsteht. Alles findet im Unbewussten statt, also das Weiß probiert Begrifflichkeiten und deren Erscheinungsweise oder Anschauungsweisen aus.
Weiß ist gleichzeitig eine Annäherung an das, was wir nicht kennen, an das, was wir nicht wissen. Es ist der Zweifel, das Weiß ist der Zweifel. Dieses an sich Kant bezeichnet das als nur vorstellbar, aber sonst nicht existent. Es sind alles nur Interpretationen, die im Weiß zugrunde liegen. Es ist gleichzeitig das Scheitern, das Weiß zu verstehen. Es ist die eigentliche Herausforderung des Menschen, die Welt kontrollieren zu können, die Natur zu begreifen. Ist das die eigentliche Ursache der Beschäftigung mit dem Weiß? Den weißen Besitz zu nehmen aus allen wissenschaftlichen Disziplinen in real produzierten Bildern, es ist aber nie das Original, sondern immer nur die Kopie. Dieses Hineindenken in die weiße Fläche, Rezipienten des betrachtenden Malens ohne Pinsel und Farbe.
Die Beschaffenheit, die Imagination. Es gibt keine Materialbeschaffenheit, erst wenn ich mich mit der weißen Fläche, beispielsweise mit dem weißen Blatt Papier, beschäftige, entsteht Materialität. Vorher bin ich nur mit der Identifikation des Nichts der weißen Fläche konfrontiert. Man kann es nicht hören und sehen, es gibt keine Wahrnehmung. Trotzdem tun wir so, als hätten wir eine Wahrnehmung, wobei der Zivilisationskultur immer nur das Weiß zugrunde liegt. Es ist nicht greifbar, es ist die reine Erfindung. Es ist der Anfang und das Ende gleichzeitig.
Das Weiß hat keinen Absender, keinen Autor, der verantwortlich ist. Es ist nicht existenziell. Erst wenn das weiße Blatt Papier beschrieben wird, erhält das Weiß eine Bedeutung. Das Weiß hat keine Schwäche, keine Stärke, keine Eigenschaften. Erst wenn etwas Neues beginnt, stirbt Altes. Es ist ein ewiges, permanentes Absorptionsspiel, das Nichts dem Sein gegenüberzustellen. Das weiße Blatt, ohne Oberfläche, ohne Zeit und zeitlos, gehen wir permanent gedanklich durch das Weiß hindurch. Der Geist kann durch Wände gehen, er verletzt sich nicht. Ist das Weiß eine Welt der Unverletzlichkeit, das Paradies der Wünsche und Hoffnungen? Es gibt kein Wer, Wie, Was, Wo. Alles scheitert am Weiß.
Erst in der Differenz, in der Distanz und Auseinandersetzung zwischen der Materialität und der Immaterialität kommt eine Sichtbarkeit zustande. Das Weiß ist gleichzeitig auch das perfekte Nichts, die Leere, das Atelier des Alltäglichen.
Im Drucker verwenden wir das weiße Blatt Papier, oder für Notizen.
Wir entwerfen, sezieren und visualisieren im reinsten Wortsinn.
Erst durch das Messer auf dem weißen Blatt Papier kommt die Verletzung als Thema hinein. Die Tat, die Tätigkeit, bekommt Konsequenzen. Das gibt es nur in der physikalischen Welt, dass die Handlungsweise mit Konsequenzen verbunden ist. Beim einfachen Durchdringen und geistigen Erleben des Weiß gibt es das nicht.
Es ist vergleichbar mit der Theaterbühne, wo alles in einer Requisitenwelt stattfindet.
Die Pistole ist nicht echt. Es gibt also irgendwie zwei Welten, in denen das Weiß eine Rolle spielt. In der Bühnenwelt geht es um den Unterschied zwischen Darsteller und Darstellung. Der Darsteller lebt in der physikalischen Welt, in der Verletzungswelt, und die Darstellung findet in der Unverletzlichkeitswelt statt. Wir dringen in die Rolle, die Figur ein. Diese Identifizierung oder Imagination – welche Klarheit kann ich also schaffen?
Welche Kategorien habe ich hier zur Verfügung durch den Geist, das Geheimnisvolle des Menschen, das, was Neugierde schafft und gleichzeitig erschreckt?
Es ist der Beginn des Geistes, der Beginn der Gestalt, der Beginn der Figur, der Beginn der Linie, ja sogar der Beginn des Punktes. Wird hier der Geist gleichgesetzt mit Materialität?
Haben wir in unserem Gehirn zwei Arten von Geistvorstellungen, die mit dem Ich-Bewusstsein vereinigt werden? Was will ich hier durch das Weiß entlarven? Oder was kann ich durch das Weiß entlarven?
Ich muss all meine Fantasien zur Verfügung haben, alle möglichen Begriffe oder Phänomene ausprobieren, um das Weiß zu beschreiben. Und doch scheitere ich permanent daran. Es ist nicht fassbar, weil es keine Form, keine Substanz hat. Es ist nur die Substanz hineingedacht und gleichzeitig die höchste Absorption und Abstraktion.