Wozu lade ich Sie ein?

Aus Globale-Schwarm-Intelligenz

Ich lade Sie ein, sich einer Prognose zu stellen, die viele Menschen psychologisch abwehren, obwohl ihre logische Struktur schwer zu ignorieren ist: dass die Menschheit unter den gegenwärtigen Dynamiken in wenigen Jahrzehnten in eine Lage geraten kann, in der großskalige gesellschaftliche Funktionsfähigkeit und damit auch das Fortbestehen zivilisierter Lebensformen nicht mehr gesichert sind.

Diese Aussage ist nicht als exakte Datierung zu verstehen, sondern als Hinweis auf ein Zeitfenster, in dem mehrere, sich gegenseitig verstärkende Krisenpfade mit Kipppunkten zusammenlaufen können – Klima, Biosphäre, Stoff- und Energiebilanzen, Konflikte, Versorgungsketten, Legitimität politischer Ordnungen. Der entscheidende Punkt ist dabei nicht „Apokalypse als Erzählung“, sondern Risikologik: Wenn Systeme durch nichtlineare Schwellen geprägt sind, genügt es nicht, Durchschnittstrends fortzuschreiben; man muss die Möglichkeit abrupter Zustandswechsel ernst nehmen. Die Klimaforschung beschreibt solche Risiken ausdrücklich als wachsend mit jeder zusätzlichen Erwärmung und warnt vor zunehmend irreversiblen Folgen und eskalierenden Risiken. ipcc.ch Gleichzeitig zeigen Ansätze wie die Planetary-Boundaries-Forschung, dass mehrere Stabilitätsbereiche des Erdsystems bereits überschritten sind, was die Robustheit der zivilisatorischen Grundlage insgesamt schwächt. Science

Ich lade Sie ein, diese Krisenlage nicht nur als äußere Umweltkrise zu deuten, sondern als Ausdruck eines tieferen zivilisatorischen Konstruktionsfehlers: einer historisch gewachsenen Abtrennung von Weltbeziehung und Weltbeschreibung, von Berührung und Symbol, von Handlungs-Konsequenz und Repräsentations-Komfort. In Ihrer Terminologie: eine Verschiebung hin zur „Unverletzlichkeitswelt“, in der Systeme so organisiert werden, dass sie sich selbst legitimieren, während die reale Verletzlichkeitswelt – Körper, Stoffwechsel, Grenzen, Rückwirkungen – funktional ausgeblendet wird. Dieser Fehler wirkt nicht abstrakt, sondern operativ: Er erzeugt Strukturen, die auf Expansion, Perfektionsbilder und Besitzlogik reagieren, anstatt auf Maß, Rückkopplung und Tragfähigkeit.

Ich lade Sie ein, die Beschleunigung der letzten Jahrzehnte als zweite, verschärfende Komponente zu untersuchen: Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat sich die Kopplung von globalisiertem Markt, Finanzlogik, digitaler Repräsentationsökonomie und Ressourcenverbrauch so verdichtet, dass die Fähigkeit von Gesellschaften zur Selbstkorrektur sinkt, während Störanfälligkeit steigt. Parallel lässt sich in vielen Ländern eine Erosion demokratischer Selbstbindung beobachten; in den großen Datenerhebungen zur Demokratie wird seit Jahren ein breiter Trend der Autokratisierung bzw. des demokratischen Rückbaus beschrieben. stockholmresilience.org Der Kern Ihrer Kritik zielt dabei auf etwas Spezifisches: Normative Abmachungen werden zu „unsichtbaren Betriebssystemen“, die sich selbst verstärken und die Frage nach Konsequenzen neutralisieren – bis reale Rückkopplungen die Illusion beenden.

Ich lade Sie ein, dabei auch die anthropologische und neurokognitive Seite zu berücksichtigen, ohne sie zu vereinfachen: Unter chronischer Bedrohung, Überforderung und Reizüberflutung sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen langfristig-planend, differenzierend und kooperativ handeln; stattdessen nehmen kurzzyklische, affektive und habitualisierte Reaktionsmuster zu. In der Stressforschung wird diese Vulnerabilität der präfrontalen, selbstregulativen Kontrolle gegenüber Belastung ausführlich diskutiert. ScienceDirect Für Ihre Argumentation bedeutet das: Selbst wenn Informationen verfügbar sind, kann die gesellschaftliche „Gehirn-Kompatibilität“ zur gemeinsamen Maßbildung abnehmen – und genau das wirkt als Beschleuniger der Krisendynamik.

Ich lade Sie ein, den gegenwärtigen Kult des „grenzenlosen Individuums“ als Teil dieses Mechanismus zu prüfen: Die scheinbar progressive Ausweitung von Identitäts- und Selbstentwurfsvarianten kann – je nach Einbettung – entweder tatsächliche Würde sichern oder funktional zur Ablenkung werden, wenn sie in eine Ökonomie eingebunden ist, die Menschen primär als marktfähige Einheiten behandelt: als Anbieter und Käufer von Aufmerksamkeit, Können, Intelligenz und Selbstbildern. Dann wird Freiheit zur Konsumentenfreiheit, Autonomie zur Vermarktungsfähigkeit, und Vernunft zu einem nachgeordneten Tool innerhalb normativer Wirtschaftsrepräsentationen. In Ihrer Bildsprache: Viele Rollen, viel Bühne, wenig Berührung.

Ich lade Sie zugleich ein, aus dieser Diagnose nicht Zynismus, sondern eine alternative Praxis abzuleiten.

Ihr Vorschlag ist radikal praktisch: dass eine tragfähige Gegenbewegung nicht zuerst durch neue Ideologien entsteht, sondern durch Wiederaufbau von Weltbeziehung – durch ein Training der Unterscheidung zwischen Darstellung und Geschehen, zwischen Symbol und Stoff, zwischen Absicht und Konsequenz. Darum setzen Sie bei Kunst nicht als Luxus, sondern als Kulturtechnik an: Der Mensch ist – evolutiv betrachtet – ein interpretierendes, formendes, darstellendes Wesen; er kommt aus dem „Teufelskreis der Interpretation“ nicht heraus, aber er kann lernen, ihn zu verantworten. Genau hier wird das Nichtwissen (Zweifel) nicht zum Defekt, sondern zur Bedingung eines Kunstwerks – und damit zur Bedingung einer korrigierbaren Zivilisation.

Ich lade Sie daher ein, das künstlerische Handwerkszeug – bildnerisch und darstellerisch – als allgemein zu erlernende Kompetenz zu begreifen: nicht, um alle zu „Kunstproduzenten“ zu machen, sondern um alle zu Weltbeziehungs-Praktikern zu machen. Ihre Denkobjekte erfüllen dabei eine präzise Funktion: Sie zwingen aus der Alltäglichkeit heraus in den Kontakt mit Materialeigenschaften, Grenzen, Rückwirkungen – in der Küche, im Atelier, auf der Bühne, im öffentlichen Raum. Sie machen sichtbar, wie schnell Vergoldung (symbolische Überhöhung) Eigenschaften zerstört, wie beim goldbeschriebenen Tafelsatz, der das Löschbare in Unlöschbarkeit verwandelt; und sie machen erfahrbar, wie der gordische Knoten als Plastik zugleich Symbol, Handlungszwang, Witterungsprozess und ethische Frage wird, weil Berührung Spuren erzeugt – bis hin zur giftigen Patina und zur langsamen Zerstörung durch Natur.

Ich lade Sie schließlich ein, diese Praxis als offene, kollektive Erkenntnisarbeit zu organisieren – über Ihre Plattform – mit einer Methode, die niedrigschwellig und skalierbar ist: Fragen stellen, Antworten vergleichen, Konstruktionsfehler sichtbar machen, Konsequenzen diskutieren, neue Gewohnheiten erproben. Ihre universelle Weltformel 51:49 fungiert dabei als Orientierungswerkzeug für Maßbildung: nicht als Dogma, sondern als Prüfprinzip asymmetrischer Tragfähigkeit, das jede und jeder in der eigenen Lebenswirklichkeit anwenden kann. In Verbindung mit KI wird daraus eine Form des „spielerischen Wissenschaftlers“: nicht als Ersatz von Fachwissenschaft, sondern als Wiederbelebung von Gemeinsinn-Erkenntnis, die sich an Rückkopplung bindet.

Wozu lade ich Sie also ein? Zur Konfrontation mit Belegen und Konsequenzen, ohne Ausweichnarrative.

Zur Analyse dessen, was in der Zivilisationsgeschichte strukturell schiefgelaufen ist und warum die letzten Jahrzehnte die Dynamik beschleunigt haben. Zur Rückgewinnung eines techne-Begriffs als geteiltes Können im Maß. Und zur praktischen Erprobung einer alternativen Kunst-Gesellschaftsform – in der Menschen nicht als Konsumenten eines Endspiels agieren, sondern als Mitwirkende einer neuen, berührungsfähigen Kulturtechnik.