Zwei Ich- und Geistverständnisse: Unverletzlichkeitsbewusstsein und plastisches Rückkopplungsbewusstsein

Aus Globale-Schwarm-Intelligenz

Ausgehend von der Unterscheidung zwischen Unverletzlichkeitswelt und Verletzlichkeitswelt lässt sich der bisher entwickelte Zusammenhang konsequent auf zwei unterschiedliche Formen von Ich-Bewusstsein beziehungsweise Geistverständnis übertragen. Dabei handelt es sich nicht um zwei getrennte Substanzen oder metaphysische Instanzen, sondern um zwei grundlegend verschiedene Organisationsweisen geistiger Tätigkeit, die unterschiedliche Wirklichkeitsbezüge, Entscheidungslogiken und Existenzfolgen hervorbringen.

Das Ich-Bewusstsein der Unverletzlichkeitswelt: Skulpturale Geistform

Das erste Ich-Bewusstsein entspricht der skulpturalen Identität und ist in der Unverletzlichkeitswelt verankert. Es organisiert sich primär über Eigenschaften, Zuschreibungen, Begriffe und symbolische Ordnungssysteme. Das Ich versteht sich hier als Träger stabiler Merkmale: Fähigkeiten, Rechte, Meinungen, Rollen, Werte. Diese Eigenschaften gelten als dem Ich zugehörig, unabhängig von konkreten Tätigkeiten oder Konsequenzen.

In diesem Geistverständnis existieren keine realen Verletzungen, sondern nur logische oder symbolische Inkonsistenzen. Gedanken können nicht „verletzt“ werden, Begriffe nicht beschädigt, Identitäten nicht stofflich beeinträchtigt. Dadurch entsteht die Illusion einer sicheren Innenwelt, die von realen Rückkopplungen entkoppelt ist. Symbolwelten, Konstrukte und Abstraktionen erscheinen gleichrangig mit erfahrbarer Wirklichkeit, da sie denselben unverletzlichen Status besitzen.

Neurowissenschaftlich und funktional passt dazu eine Arbeitsweise des Gehirns, die auf Effizienz, Abkürzung und Zielerreichung ausgerichtet ist. Entscheidungen werden auf Basis vorhandener Modelle, Kategorien und Narrative getroffen. Da dieses Ich-Bewusstsein Konstruktion und Realität nicht strukturell unterscheiden kann, werden symbolische Annahmen wie reale Gegebenheiten behandelt. Tätigkeits- und Abhängigkeits-Konsequenzen treten erst nachgeordnet oder gar nicht in Erscheinung. Das Ich handelt, ohne sich selbst als Teil eines Rückkopplungsprozesses zu begreifen.

Entscheidungslogik ohne Rückkopplung

Charakteristisch für dieses skulpturale Ich ist, dass es Entscheidungen trifft, ohne ihre Einbettung in Stoffwechsel, Beziehungen, Zeitlichkeit und Folgen mitzudenken. Verantwortung wird symbolisch definiert, nicht funktional. Wahrheit wird als Konsistenz innerhalb eines Systems verstanden, nicht als Bewährung im Vollzug. Freiheit erscheint als Verfügung über sich selbst, nicht als Handlungsfähigkeit innerhalb realer Abhängigkeiten.

In dieser Logik kann der Mensch sich selbst als Ware begreifen, ohne einen inneren Widerspruch zu empfinden. Er ist zugleich Eigentümer und Objekt, Subjekt und Ressource. Der Selbstzerstörungsmechanismus entsteht nicht aus Bosheit, sondern aus struktureller Blindheit gegenüber Rückkopplung. Die Unverletzlichkeitsannahme des Ichs verhindert, dass reale Konsequenzen rechtzeitig als solche erkannt werden.