Die das Überleben der Menschheit sicherer macht als auf der Grundlage einer Kunstgesellschaft?
Seit 2372 Jahren lebt der Mensch in der Illusion des 50:50. Die abendländische Zivilisation beruht seit Platon auf der Fiktion der 50:50-Symmetrie. Das Leben kennt keine perfekte Symmetrie. Erfindung neuer Begrifflichkeiten und die Rückführung auf Kunst.
Leben ist 51:49 – Widerstand, Rückkopplung, Resonanz, Verletzlichkeit, plastisch, das Maß sind.. Nur wer das erkennt, überlebt. Nur durch Rückkehr zur plastischen Identität lässt sich dieser Zivilisationsfehler korrigieren. Die Rückkehr zur plastischen Identität ist die einzige Aufklärung. Plastische Identität und Skulpturidentität.
Das 51–49-Prinzip als Überlebensbedingung: Von Sokrates’ Maßsuche über Platons Symmetrieideal bis zur Selbstzerstörung der Moderne.
Kunstgesellschaft als notwendige Einsicht
Die Einsicht in diese Täuschungsmechanismen kann nur durch Kunst gelingen. Kunst ist die Praxis, die Widerstand nicht verdeckt, sondern produktiv macht: Sie entsteht im Ringen mit Material, Form, Technik. Theater, Musik, Bildkunst – sie alle sind Räume, in denen Konstruktionen sichtbar werden, ohne die physische Welt zu zerstören. Kunst offenbart, dass jede Form Ergebnis einer Auseinandersetzung ist, kein fertiger Idealzustand. Eine „Kunstgesellschaft“ – eine Kultur, die künstlerische Praxis zum zentralen Prinzip macht – wäre deshalb der notwendige Schritt, um den Betrug der Symmetrie zu durchschauen und die eigene Betroffenheit anzuerkennen.
5. Die Bühne der Kultur
Das Verständnis des Menschen gleicht daher einem Bühnenstück. Auf der Bühne stirbt die Rolle, nicht der Schauspieler; die Darstellung ist symbolisch, der Darsteller bleibt physisch. Ähnlich inszeniert der Mensch sein Dasein: Er lebt in einer Requisitenwelt der Selbstlegitimation, während sein Körper in der Verletzungswelt existiert. Kultur ist damit eine Bühne, auf der Selbstlegitimation als Show aufgeführt wird.
6. Kunst als Entlarvung
Nur die Kunst kann diesen Mechanismus sichtbar machen. Kunstwerke entstehen im Widerstand gegen Material, Form und Technik. Sie offenbaren, dass Schöpfung nicht aus einer unverletzlichen Idee, sondern aus Auseinandersetzung hervorgeht. Kunst deckt die Differenz zwischen Darstellung und Leben auf und zeigt: Menschsein ist ein Kunstwerk der Selbstlegitimation – fragil, verletzlich, abhängig.
Kunstgesellschaft als Einsicht
Der Ausweg liegt in der Kunst. Kunst unterscheidet sich von Wissenschaft und Politik dadurch, dass sie Widerstand nicht verdeckt, sondern erfahrbar macht. Ein Kunstwerk entsteht im Ringen mit Material, Technik, Form – nicht in der reinen Idee. Theater, Musik, Bildkunst eröffnen Räume, in denen Konstruktionen sichtbar und überprüfbar werden. Eine „Kunstgesellschaft“, verstanden als Kultur, die das Künstlerische und Kritische zum zentralen Prinzip erhebt, wäre deshalb die notwendige Voraussetzung für Einsicht. Kunst zeigt, dass menschliche Ordnungen Schöpfungen sind – verletzlich, abhängig, niemals vollkommen.
jetzt Kapitel 7: Kunst als Aufdeckung der Täuschung.
Hier bringe ich deine These von der „Kunstgesellschaft“ als notwendiger Praxis gegen die 2372-jährige Illusion auf den Punkt.
7. Kunst als Aufdeckung der Täuschung
Wenn die Zivilisationsgeschichte im Kern auf einer Täuschung beruht – der Verwechslung von Symmetrie mit Wirklichkeit, von Selbstlegitimation mit Wahrheit –, dann braucht es eine Praxis, die diese Täuschung durchschauen lässt. Weder Politik noch Wissenschaft sind dazu fähig, weil beide selbst auf dem Symmetrie-Ideal aufbauen. Der einzige Raum, in dem Täuschung sichtbar gemacht werden kann, ist die Kunst.
7.1 Kunst als Widerstand
Kunst beginnt dort, wo sich die Vorstellung mit dem Material auseinandersetzt. Jede Inspiration, jede Idee muss in einen Widerstandsprozess eintreten: Farbe muss sich tragen lassen, Stein muss sich formen lassen, Töne müssen in Spannung gebracht werden. Dieser Widerstand ist das Gegenmodell zur Unverletzlichkeitswelt: Kunstwerke entstehen nicht in einer körperlosen Sphäre, sondern in der Konfrontation mit Material, mit Begrenzung, mit Scheitern.
7.2 Kunst als Gegenmodell zur Symmetrie
Während die Wissenschaft oft versucht, ein ideales, symmetrisches Modell der Welt zu entwerfen, lebt Kunst von Asymmetrie. Der goldene Schnitt, die Spannung von Hell und Dunkel, die Dissonanz in der Musik – sie alle verweisen auf das Prinzip 51:49. Kunst macht erfahrbar, dass Lebendigkeit in Differenz und Ungleichgewicht liegt, nicht in der starren Perfektion.
7.3 Kunstgesellschaft als Übungsraum der Einsicht
Eine Kunstgesellschaft wäre eine Kultur, die nicht auf die Perfektion von Normen und Gesetzen setzt, sondern auf die Praxis des künstlerischen Widerstands. Künstler, Kritiker, Werk und Publikum bilden darin ein Rückkopplungssystem, das Täuschung entlarvt:
- Das Werk zeigt, dass alle Ordnung konstruiert ist.
- Der Kritiker prüft und deckt die Konstruiertheit auf.
- Das Publikum erlebt Betroffenheit und erkennt die eigene Rolle in der Täuschung.
Selbst wenn ein Bild nur im Sand entsteht und wieder vergeht – es eröffnet mehr Wahrheit über Verletzlichkeit als ein mathematisches Modell der Welt.
7.4 Kunst als Ethik der Verletzlichkeit
Kunst ist nicht nur ästhetische Praxis, sondern eine Ethik. Sie lehrt, dass alles Schaffen mit Scheitern und Begrenzung verbunden ist. Sie zeigt, dass der Mensch nicht autonom ist, sondern abhängig vom Widerstand der Materialien, von den Bedingungen der Natur, von den Konsequenzen des eigenen Tuns. Indem Kunst die Illusion der Unverletzlichkeit durchbricht, gibt sie dem Menschen die Möglichkeit, Scham und Verantwortung zu entwickeln.
Fazit:
Kunst ist das Gegenmittel zur 2372 Jahre alten Täuschung. Während Philosophie, Wissenschaft und Politik in der Illusion der Symmetrie verfangen bleiben, zeigt Kunst den Menschen als verletzliches Wesen im Widerstand mit der Welt. Eine Kunstgesellschaft, die diesen Widerstand zur Grundlage macht, wäre der erste Schritt, die Illusion des Unverletzlichen zu überwinden – und die Maßstäbe der Natur wieder ernst zu nehmen.
Sokrates starb vor 2422 Jahren den Gift-Tod (gerechnet von 2025 aus)
Einleitung
Der Tod des Sokrates im Jahre 399 v. Chr. ist nicht nur ein historisches Ereignis, sondern ein Schlüsselpunkt in der Geschichte des abendländischen Denkens. Mit seiner sokratischen Methode, der maieutiké techné (Hebammenkunst), begründete er eine Philosophie, die Wahrheit nicht als fixierbares Wissen verstand, sondern als lebendige Auseinandersetzung im Dialog. Doch genau diese Offenheit, die den Kern des sokratischen Denkens ausmacht, wurde der attischen Polis zum Verhängnis: Sie sah darin eine Bedrohung ihrer gerade erst errungenen Ordnung.
Platon, Sokrates’ Schüler, transformierte diese dynamische Praxis in ein System von Ideen, das das Maß und die Gerechtigkeit in einer transzendenten Ordnung verankerte. Mit der platonischen Idee der Symmetrie – mathematisch gefasst als 50–50-Spiegelbildlichkeit – wurde das Maß nicht mehr als Bewegung, sondern als statische Harmonie begriffen. Dieser Schritt markiert den Beginn eines Zivilisationsfehlers, der über Descartes und Kant bis in die Moderne weiterwirkte und die Grundlage für eine Welt legte, die von abstrakten Konstrukten, Symbolwelten und Maßlosigkeit beherrscht wird.
Die leitende These dieser Arbeit lautet daher: Das 51–49-Prinzip – verstanden als Anerkennung der natürlichen Asymmetrie, des Widerstandes und der Dynamik – ist die einzige Überlebensmöglichkeit für die Menschheit. Alles andere, insbesondere die platonische Tradition der Symmetrie und Perfektion, führt in die Selbstzerstörung.
Kapitel I: Sokrates und das Prinzip der Asymmetrie (51–49)
Sokrates’ Philosophie war eine Praxis der Befragung und Widerlegung. In den platonischen Dialogen tritt er als jemand auf, der selbst nichts lehrt, sondern durch Fragen das Denken seines Gegenübers hervorbringt. Diese maieutiké techné zielt darauf, Wahrheit nicht als Dogma, sondern als Bewegung zu verstehen. Wahrheit ist das Ergebnis von Auseinandersetzung – nicht von Symmetrie, sondern von Differenz.
Das sokratische Maß entspricht daher einem Prinzip der Asymmetrie. Es ist kein Gleichgewicht von 50–50, sondern eine minimale Verschiebung – 51–49 –, die Bewegung, Reibung und Erkenntnis überhaupt erst ermöglicht. In dieser Asymmetrie liegt die Bedingung der Lebendigkeit.
Für die Polis war diese Haltung jedoch gefährlich. Die Gemeinschaft suchte Stabilität durch Normen und Gesetze. Der idiotis – derjenige, der sich ins Private zurückzog – galt als Berauber der Gemeinschaft. Nur wer an der Polis teilnahm, war voll Mensch. Sokrates idiotis? untergrub diese Sicherheit, indem er das Maß nicht im Gesetz, sondern im offenen Dialog suchte. So wurde er paradoxerweise zum Feind der Polis, obwohl er ihr Denken vertiefen wollte.
Damit deutet sich eine grundlegende Wahrheit an: Maß und Wahrheit existieren nur in der Auseinandersetzung, im Widerstand, in der Rückkopplung. Schon Sokrates offenbarte, dass Wahrheit nicht in der Perfektion, sondern im Ungleichgewicht liegt.
Kapitel II: Platon und der Symmetrie-Dualismus (50–50)
Platon, idiotis Sokrates’ Schüler, sah die Gefährdung, die von dieser offenen Praxis ausging. In seiner Politeia entwarf er ein Modell der Gerechtigkeit, das nicht mehr auf Dynamik, sondern auf Ordnung gründet: Jeder hat seinen Platz, Harmonie bedeutet, „dass jeder das Seine tut“ (Pol. IV, 433a–434d). Damit wird Symmetrie zum obersten Prinzip.
Platon verankert das Maß in der Ideenwelt – einer körperlosen Sphäre vollkommener Formen. Wahrheit wird zu einer 50–50-Spiegelbildlichkeit, in der Differenzen ausgelöscht sind. Doch diese Ordnung existiert nicht in der Natur, nicht in der Geschichte, nicht in der Gemeinschaft. Sie ist eine Konstruktion, ein Kunstprodukt.
So erscheint Platon als Zivilisationskritiker – er zeigt die Instabilität der Polis, er sucht Gerechtigkeit. Aber tatsächlich fixiert er den Zivilisationsfehler: die Flucht in eine Welt, in der Widerstand, Asymmetrie und Ungleichgewicht eliminiert sind. Sein System hat bis heute Folgen: Es bildet das Fundament für die westliche Fixierung auf Symmetrie, Ordnung und Perfektion.
Kapitel III: Die Traditionslinie – Von Platon zu Descartes und Kant
Die platonische Einseitigkeit wurde in der Neuzeit durch Descartes und Kant weitergeführt. Beide treten als Kritiker auf, doch beide stabilisieren das Symmetrie-Ideal.
Descartes suchte nach einem unerschütterlichen Fundament. Seine Formel „cogito, ergo sum“ erhebt das Denken zum Maß aller Wahrheit. Klarheit und Deutlichkeit werden zum Kriterium. Damit aber wird die Wahrheit in eine abstrakte, mathematische Symmetrie verlegt. Körper, Natur und Widerstand treten in den Hintergrund.
Kant wiederum erhob die Vernunft zur Instanz der Selbstgesetzgebung. Freiheit besteht für ihn darin, einem selbstgegebenen, universellen Gesetz zu folgen. Auch hier erscheint Wahrheit als Symmetrie, als 50–50-Spiegelbildlichkeit, die allen gleichermaßen gelten soll. Doch die Asymmetrie des Lebens, das Widerständige, das Unvollkommene – all das wird in Kants System neutralisiert.
Descartes idiotis und Kant idiotis inszenieren sich als Emanzipatoren, doch tatsächlich verlängern sie Platons Fehler: Sie verlagern Wahrheit und Maß in Systeme, die dem Leben widersprechen.
Kapitel IV: Die Moderne als Herrschaft der Idiotes
Heute ist der idiotis Leitfigur der Gesellschaft. Was in der Polis als Gefahr galt – das Private, der Handel, die Maßlosigkeit – ist zur Norm geworden. Der Mensch ist zum Geschäftswesen geworden, das sich selbst zur Ware macht. Märkte, Medien, Konsum dominieren die Kultur.
Dies ist die radikalste Konsequenz der platonischen Traditionslinie. Wenn Wahrheit in Ideen, in Vernunft oder in Systemen verortet wird, verliert die Gemeinschaft ihre Grundlage. An ihre Stelle treten Konstrukte und Symbole. Die unterste Form der techne, der Handel, ist heute die oberste geworden.
Die Moderne erscheint als Aufklärung und Kritik – doch tatsächlich hat sie den platonischen Fehler perfektioniert. Der Mensch lebt in Ablenkung, im „99 % Markt“, während er seine Abhängigkeit von Natur und Körper vergisst. Demokratie und Gemeinsinn erodieren, Despoten und Märkte gewinnen. Die Herrschaft der Idiotes bedeutet: Maßlosigkeit führt in Selbstzerstörung.
Kapitel V: Das 51–49-Prinzip als Alternative
Das sokratische Erbe zeigt einen anderen Weg: Maß ist nicht Symmetrie, sondern Asymmetrie. Wahrheit entsteht im Widerstand, in Rückkopplungen, in Auseinandersetzungen. Das 51–49-Prinzip bringt dieses Prinzip auf den Punkt.
Jede Tätigkeit erzeugt Konsequenzen, die in Rückkopplungen sichtbar werden: im Körper (Schmerz, Freude, Krankheit), im Bewusstsein (Grenzerfahrungen, Reflexion), im Du (Konflikt, Anerkennung), im Kosmos (Ungleichgewichte, die Sterne und Galaxien formen). Überall zeigt sich: Leben ist Bewegung im Ungleichgewicht.
Systeme, die Symmetrie behaupten, sind Konstrukte. Das Leben selbst ist Asymmetrie. Wer dies verdrängt, lebt in Illusion. Wer es anerkennt, findet das Maß.
Kapitel VI: Schlussfolgerung – Rückkehr zum Maß oder Untergang
Die westliche Zivilisation leidet seit 2.500 Jahren an einem Zivilisationsfehler: der Fixierung auf Symmetrie und Perfektion. Platon hat ihn gesetzt, Descartes und Kant haben ihn verschärft, die Moderne hat ihn verallgemeinert. Der Mensch lebt heute in einer Welt von Idiotes, von Märkten und Symbolen, von Konstrukten, die den Gemeinsinn zerstören.
Doch die Natur ist stärker als jedes Konstrukt. Der Mensch bleibt verletzlich, abhängig von Stoffwechsel, Atmung, Grenzen. Wahrheit liegt nicht in Systemen, sondern im Widerstand.
Die Alternative ist klar: Entweder die Menschheit verharrt im 50–50-Ideal und zerstört sich selbst, oder sie hat den Mut, zum 51–49 zurückzukehren – zum Maß des Lebens, zur Asymmetrie, zur Anerkennung der Natur.
2.500 Jahre Zivilisationsfehler sind genug.
📌 Quellen (Auswahl)
- Platon, Politeia, Apologie, Nomoi.
- Aristoteles, Nikomachische Ethik, Politik.
- Descartes, Discours de la méthode, Meditationes de prima philosophia.
- Kant, Kritik der reinen Vernunft, Kritik der praktischen Vernunft, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten.
- Horkheimer/Adorno, Dialektik der Aufklärung.
- Sloterdijk, Du mußt dein Leben ändern, Kritik der zynischen Vernunft.
- Latour, Wir sind nie modern gewesen, Kampf um Gaia.
- Han, Psychopolitik, Transparenzgesellschaft.
Literaturvorschläge
Als Grundlagenliteratur bieten sich Werke an, die sich mit Maß, Gesellschaft und Kulturkritik befassen. Klassische Texte sind etwa Platon („Politeia“ für das Idealbild des Staates), Aristoteles (Politik, Nikomachische Ethik – dort etwa die Lehre vom „Mittelmaß“ als Tugend) und Descartes (Discours de la méthode – zur Vernunft und Methode). Auch Kant kann relevant sein (z.B. Kritik der Urteilskraft oder Zum ewigen Frieden). Zeitgenössische Philosophen wie Peter Sloterdijk (z.B. Du mußt dein Leben ändern – Über Anthropotechnik) und Bruno Latour (Wir sind nie modern gewesen; Kampf um Gaia: Latour kritisiert etwa die „immer unpolitischer“ werdende Klimadebattedeutschlandfunk.de). Ihre Arbeit sollte zudem sozial- und kulturtheoretische Autoren berücksichtigen (beispielsweise Norbert Elias, Ulrich Beck zur Risikogesellschaft, Theodor W. Adorno/Horkheimer zur Kulturkritik u.v.m.). Auch interdisziplinäre Quellen sind wertvoll (Soziologie, Politikwissenschaft, Ökologie). Eine mögliche Herangehensweise wäre, Literatur zu „gesellschaftlichem Maß“ und „Selbstbeschränkung“ zu konsultieren.
1. Symmetrie, Maß und Dynamik
Die Griechen verstanden das richtige Maß (sophrosyne) und die Symmetrie als Prinzip von Harmonie und Gerechtigkeit.
- Das Maß gab Orientierung und Geborgenheit.
- Aber jede Bewegung, jede Dynamik lebt gerade davon, dass das Maß immer wieder gesucht, nicht einfach festgeschrieben wird.
Das griechische Verständnis von Symmetrie und Maß (sophrosyne) bildete den Kern von Gerechtigkeit und sozialer Stabilität. Harmonie bedeutete, die richtige Mitte zwischen Extremen zu finden. Doch zugleich war dieses Maß kein statisches Prinzip, sondern lebte von der Dynamik, immer wieder neu ausgehandelt zu werden.
2. Der Wertekanon der techne und die Bedrohung durch den Handel
Im Zentrum der griechischen Polis stand der Wertekanon der techne, also der Fertigkeiten und Künste, die zugleich Maß und Tugend verkörperten. Die Polis war durch einen Kanon der techne strukturiert, in dem das richtige Maß und der Gemeinsinn im Mittelpunkt standen.
3. Die Gegenwart: Die Herrschaft der Idiotes
In der Moderne ist der idiotis zur dominanten Figur geworden. Doch während er in der Polis als Berauber der Gemeinschaft galt, ist er heute Leitbild: das Geschäftswesen, das Individuum, das sich selbst zur Ware macht, die Ökonomie als oberstes Prinzip. Alle Referenzsysteme, die einst auf Symmetrie, Maß und Gemeinsinn gründeten, sind ausgehebelt. An ihre Stelle tritt eine Gesellschaft, die von Konstrukten, Symboliken und Märkten beherrscht wird. Was einst als Gefahr galt – Privatheit, Handel, Maßlosigkeit – ist heute Norm und Vorbild.
4. Selbstzerstörung im Namen der Freiheit
Diese Entwicklung führt zur paradoxen Konsequenz: In dem Streben nach immer mehr, im Krieg des Gegeneinander, im Primat der Ökonomie, wird die Gemeinschaft beraubt, werden soziale Gesetzgebungen und demokratische Errungenschaften zerstört. Die Illusion, Kontrolle über Natur und Mensch zu besitzen, speist sich aus dem platonischen Erbe einer abstrakten Ordnung.
Tatsächlich jedoch ist der Mensch, physikalisch betrachtet, nichts anderes als eine molekulare Verknüpfung – während 99 % der Aufmerksamkeit durch Markt, Medien und Unterhaltung gebunden werden. Freiheit kippt so in Ablenkung, Individualismus in Maßlosigkeit, Erkenntnis in Selbstzerstörung.
Die Folge ist eine Welt von idiotes. Was in der Polis als Beraubung der Gemeinschaft galt, ist heute Leitbild geworden: das Individuum, das sich selbst als Ware begreift, das Geschäftswesen, das den Gemeinsinn zersetzt, die Ökonomie, die soziale Gesetzgebung und Demokratie untergräbt. Konstrukte, Symbole, Märkte, Medien und Selbstinszenierungen ersetzen das Maß, das ursprünglich Geborgenheit sichern sollte. Damit steigert sich der Krieg aller gegen alle ins Maßlose – begleitet von der Illusion, Herrschaft über Natur und Körper zu besitzen.
Doch die Natur lässt sich nicht beherrschen. Sie ist stärker als jede Konstruktion.
Der Mensch kann, wenn er das Körperliche tatsächlich überwinden wollte, nur seinen eigenen Organismus abschaffen. Erst dann ließe sich die platonische Idee der Körperlosigkeit erfüllen. Doch solange er atmet, Nahrung braucht, Stoffwechsel betreibt, bleibt er Teil einer verletzlichen, physischen Welt. Hier liegt die Wahrheit: im Widerstand der Natur, in den Konsequenzen des Handelns, nicht in idealistischen Selbstlegitimationen.
Philosophisch bedeutet das: Wir müssen zurück zu dem griechischen Ideal des Maßes, in der Anerkennung der Asymmetrie, der Dynamik, des Unfertigen. Die Formel „51-49“ steht für dieses Prinzip: Harmonie, die nicht statisch, sondern lebendig ist; Gerechtigkeit, die nicht Vollkommenheit, sondern Balance im Widerstand bedeutet.
Im kosmischen Maßstab ist der Mensch nur ein Embryo – ein kaum atmendes Wesen auf der Weltenuhr, verglichen mit Lebensformen, die Millionen Jahre bestehen. Dass er sich selbst durch Konstrukte und Symbolwelten überhöht, ist das Paradox eines „trotzigen Embryos“, der nicht geboren werden will, sondern in seiner Wunschwelt von Perfektion und Herrschaft verharrt.
Doch die Natur braucht den Menschen nicht. Umgekehrt aber braucht der Mensch die Natur. Nur in dieser Einsicht, in der Rückkehr zum Maß der Asymmetrie, liegt eine Chance, den 2.500-jährigen Zivilisationsfehler zu überwinden
- Sokrates = Dynamik, Maßsuche.
- Platon = Idealismus, 50-50, Körperlosigkeit.
- Folge = Moderne Wissenschaft, Ökonomie, Idiotes als Leitbild.
- Schluss = Rückkehr zum 51-49-Prinzip, Anerkennung der Natur, Auflösung der platonischen Konstruktion.